Pilzmikroskopie I & II
Bild 1: Eva Wandelt und Lothar Claußnitzer von der DGfM
Bonn, der 23.07.2023
Die sichere Bestimmung von Pilzen erfordert in der Regel auch mikroskopische Verfahren - ein interessantes und praxisnahes Gebiet, das beim MKB lange brach gelegen hat. Mit der Einladung der beiden Sachverständigen Eva Wandelt und Lothar Claußnitzer von der Deut- schen Gesellschaft für Mykologie e.V. (DGfM) hat sich das nun geändert. Im Mai und Juni diesen Jahres haben die beiden im Rahmen unserer MKB Abende zwei Workshops zum Thema Pilzmikroskopie gehalten. Im ersten Teil ging es um die theoretischen Grundlagen und Verfahren, im zweiten Teil konnte dann mit dem eigenen Mikroskop und anhand mitgebrachter Proben selbst Hand angelegt werde. Hier schon einmal vielen Dank für die beiden sehr informativen und spannenden Termine an Eva Wandelt und Lothar Claußnitzer.
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Pilzmikroskopie I - die theoretischen Grundlagen
Neben den makroskopischen Merkmalen der Fruchtkörper unserer Pilze spielen bei der genauen Bestimmung der Art in der Regel auch die mikroskopischen Merkmale eine Rolle. Dabei können die makroskopischen Merkmale eines Pilzes mit dem bloßen Auge ohne weiteres Werkzeug bestimmt werden.
Einige dieser Merkmale sind z.B.:
- Der Standort (z.B. Wald, Wiese, Zapfen, Kot, nasses Holz, Insekten, Pilz, Baum, Gras…)
Viele Pilzarten kommen nur an charakteristischen Standorten vor, sodass die Auffindesituation schon einmal einen Hinweis geben kann.
- Jahreszeit des Vorkommens (Frühjahr, Sommer, Herbst, Winter)
Vorsicht, die jeweilige Lage des Fundorts spielt hier ebenfalls eine Rolle. So findet man z.B. den Pfifferling (Cantharellus cibarius) in größeren Höhen schon im Juli sehr häufig.
- Farbe und Form des Fruchtkörpers (in Hut und Stiel gegliedert, Becherform, Korallenform…)
Bekannte Pilze kann der erfahrene Sammler bereits am Aussehen sicher zuordnen.
- Form der Fruchtschicht (Lamellen, Röhren, Leisten, Poren, Stacheln…)
Mit guter Literatur einfach zu erkennen.
- Form des Huts (trichterförmig, gebuckelt, zugespitzt, mit Papille…)
Hier muss man ebenfalls vorsicht walten lassen, da die Hutform sich mit dem Alter des Fruchtkörpers oft ändern.
- Hut und Stieloberfläche (trocken, filzig, feucht, schmierig, klebrig, behaart, schuppig…)
Dieses Merkmal ist witterungsabhängig: bei der mittlerweile verstärkt auftretenden Trockenheit sind die eigentlich schmierigen Hüte der Maronen-Röhrlinge (Boletus badius) oft trocken.
- Stiel (mit oder ohne Ring, hohl, wulstig, dünn, zerbrechlich…)
Besonders die Art des Bruchs (knackig wie beim Apfel oder ausfasernd) gibt einen guten Hinweis auf manche Pilzgattungen.
- Art der Stielbasis (Knolle, Wulst, in Scheide steckend, wurzelnd…)
Auch diese Merkmale sind nicht bei allen Exemplaren gleich gut ausgeprägt.
- Verfärbung des Fruchtkörpers oder der Fruchtschicht bei Berührung, Einschnitt oder Druck
Hier sei exemplarisch die teils intensive Blaufärbung bei diversen Röhrlingsarten genannt.
Abgesehen davon, dass es noch einige weitere makroskopische Merkmale gibt, zeigt sich bereits hier, dass die reine Beurteilung anhand des Fruchtkörpers oft nicht ausreichend zur genauen Bestimmung ist, besonders wenn nur wenige oder gar nur ein einzelnes Exemplar gefunden wurde.
Es stehen aber noch weitere Methoden zur Verfügung, für die zunächst kein Mikroskop benötigt wird.
Dazu gehört z.B. die Farbe der Sporen. Diese kann bestimmt werden, in dem man den Fruchtkörper oder je nach Art den Hut ohne Stil auf ein helles oder dunkles Blatt Papier oder Pappe legt. Die so gewonnenen Sporen können gleichzeitig auch für die mikroskopische Untersuchung weiter verwendet werden.
Bild 2: Dunkle Pilzsporen auf einem hellen Papier
Auch sind bei einigen Pilzarten bestimmte makroskopische Farbreaktionen beim Einsatz passender Reagenzien bekannt. Als Beispiel sei hier die Schäffer-Reaktion (Anilin und Salpetersäure) bei Agaricus-Arten genannt.
Bei der Beurteilung der Makroskopischen Merkmale benötigen wir jedoch gute Literatur, viel Erfahrung und/oder die Unterstützung eines Sachverständigen, um zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen.
Um sicher bestimmen zu können, müssen oft auch die mikroskopischen Merkmale eines Fruchtkörpers herangezogen werden. So geht z.B. der "knackige" Bruch eines Täublingsstiels (Russula spec.) auf kugelige Zellen in Hut und Stiel zurück.
Um hier weiter zu kommen, ist es jedoch unumgänglich, sich mit den anatomischen Merkmalen und Zelltypen der Pilzfruchtkörper vertraut zu machen. Wesentliche Unterschiede finden sich schon auf Ebene der Abteilungen zwischen Schlauchpilzen (Ascomycota) und Ständerpilzen (Basidiomycota).
Dankenswerterweise hat uns Herr Dr. Matthias Schellhorn die PDF-Datei zu seinem Wochenendseminar zur Pilzmikroskopie zur Verfügung gestellt. Da die Vorstellung der einzelnen Zelltypen und Funktionen hier zu weit gehen würde, sei auf dieses Dokument (Download am Ende des Artikels) und die im Anhang vorgestellte Literatur verwiesen.
Wichtig sind jedoch die Sporen, bei denen Größe und charakteristische Oberflächenstruktur eine Rolle Spielen. Da Pilzsporen recht klein sind, ist zur genauen Beobachtung auf jeden Fall ein 100er Objektiv mit Ölimmersion erforderlich. Die Sporenhüllen und/oder deren Oberflächenstrukturen sind Stärkehaltig, sodass Details mit Lugolscher Lösung oder Melzers Reagenz gut sichtbar gemacht werden können.
Neben den Sporen zeigen auch die Basidien, an denen Ständerpilze eben diese ausbilden, spezifische Merkmale. Das gleiche gilt für die Asci, in denen die Sporen der Schlauchpilze heranreifen. Weiterhin zeigen auch die Zystiden (Stützzellen in der Fruchtschicht) spezifische Formen und Ausstülpungen, die Hinweise auf Gattung oder Art des Pilzes geben. Um noch einen weiteren Zelltyp zu nennen, seien die Milchröhren (Lacticiferen) genannt, die bei den Milchlingen (Gattung Lactarius) einen farblosen oder gefärbten Milchsaft enthalten.
Um hier den Kontrast zu erhöhen, kann z.B. Kongorot oder Baumwollblau (ggf. in Milchsäure) gefärbt werden.
So viel Chemie! Und das, wo doch der Mikroskopiker aus leidvoller Erfahrung sagen kann, dass diese oft nur schwer bis gar nicht zu beschaffen ist ... Hier sind die Pilzler besser dran: alles, was benötigt wird, gibt es für kleines Geld beim Myko-Service von Andreas Gminder. Den Link auf die Webseite finden Sie ebenfalls im Anhang.
Bilder 3a-f: Impressionen aus dem Seminarraum
Am ersten Abend soweit vorbereitet, freuten wir uns auf die praktische Fortsetzung im zweiten Teil des Workshops.
Pilzmikroskopie II - die Praxis am Mikroskop
Im zweiten Teil unseres Workshops zur Pilzmikropskopie ging es an die Mikroskope! Nun konnten wir, wieder an mitgebrachten Proben, ausprobieren, was im ersten Teil in der Theorie besprochen wurde. Unsere beiden Referenten, Eva Wandelt und Lothar Claußnitzer, hatten dazu auch ein eigenes Mikroskop (Olympus CX40) samt Kamera und Rechner mit Auswertungssoftware dabei, da insbesondere die Sporen vermessen werden müssen.
Dazu misst man mindestens 10, besser 30 unterschiedliche Sporen aus. Die hier verwendete Software berechnet dabei aus 2 Diagonalmessungen pro Spore die durchschnittliche Größe und das durchschnittliche Verhältnis zwischen Länge und Breite automatisch, was für den Profi eine wesentliche Erleichterung darstellt.
So gut waren wir einfachen Teilnehmer natürlich nicht ausgerüstet, aber das erforderliche 100er Objektiv und Immersionsöl hatte jeder parat, genau so wie die benötigten Reagenzien, die dazu dienen, die Oberflächenstruktur der Sporen besser sichtbar zu machen (Lugolsche Lösung oder Melzers Reagenz) oder allgemein ein kontrastreicheres Bild zu erhalten (Kongorot oder Baumwollblau).
Bevor es aber ans Färben geht, muss ja erst mal ein Präparat erstellt werden ...
In der Pilzmikroskopie arbeitet man im Allgemeinen mit frischen Quetschpräparaten. Dazu wird mit einer feinen Pinzette ein winziges Stück des zu untersuchenden Materials entnommen. Dies kann ein Teil der Fruchtschicht (eine Lamellenkante ..) sein, oder ein Teil der Hutahaut, des Stiels, etc.. Die so gewonnene Probe (weniger ist mehr!) kommt in einfachem Wasser (aus der Regentonne, "Kraneberger" oder ein beliebiges stilles Wasser ...) auf den Objektträger. Dann wird vorsichtig ein Deckglas aufgelegt. Je weniger Luftblasen dabei entstehen, desto besser. Anschließend wird die Probe durch vorsichtigen Druck auf das Deckglas gequetscht. Dazu eignet sich am besten der Radiergummi am oberen Ende eines entsprechenden Bleistifts, da damit flächig Druck ausgeübt werden kann. Aufpassen, dass das Deckglas nicht bricht!
Das so gewonnene Präparat kann unter dem Mikroskop betrachtet werden. Dabei sucht man mit kleinerer Vergrößerung (10x oder 20x) die relevanten Stellen z.B. an der Lamellenkante und geht dann mit dem 40er Objektiv ins Detail. Sporen müssen mit dem 100er Objektiv in Ölimmersion betrachtet werden, um genug Einzelheiten erkennen zu können.
Möchte man Färben, wird ein Tropfen des jeweiligen Reagenz auf eine Seite des Deckglases gegeben und mit einem Fliestuch (Papiertaschentuch) von der anderen Seite durch die Probe gezogen. ggf. muss ein Tropfen Wasser oder weiteres Reagenz nachgegeben werden.
In den Quetschpräparaten der Fruchtschicht finden sich Sporen in allen möglichen Reifestadien, die entweder frei im Präparat liegen oder noch an den Sterigma (Sporenstielchen) der Basidien hängen oder bei Schlauchpilzen noch in den Asci liegen. Dabei sind zur Untersuchung der Größe und Struktur reife Sporen notwendig. Diese erhält man aber auch durch vorsichtiges Abklopfen des Sammelpapiers vom Sporenbild (siehe Bild 2).
Bilder 4a-g: Mikroaufnahmen unserer Referenten
Natürlich konnten die Verfahren der Pilzmikroskopie hier nur angerissen werden. in dem Buch Pilzmikroskopie von Bruno Erb und Walter Matheis aus dem Kosmosverlag (siehe Anhang) findet der Anfänger und sicher auch der Fortgeschrittene alles, was er braucht.
Eigene Versuche des Autors
Beim Autor dieses Artikels stand ein zweiwöchiger Österreich-Urlaub an und die "Schwammerlsuche" war fest eingeplant. Das Mikropskop passte noch ins Auto und auch die Erlaubnis zu dieser etwas außergewöhnlichen Urlaubsbeschäftigung war bei der besseren Hälfte schnell eingeholt. Also wurde auf der Terrasse des Ferienhauses ab und an mal das Leitz SM aufgebaut und Werkzeug und Literatur bereit gelegt. Die Fotografie war allerdings nur mit dem Handy freihand durch das Okular möglich.
Hier nun eine kleine Bilderstrecke mit den Ergebnissen.
Bilder 5a-g: Eigene Aufnahmen des Autors
PDF zum Wochenendseminar zur Pilzmikroskopie von Dr. Matthias Schellhorn (DGfM) zum Herunterladen
Herr Dr. Matthias Schellhorn beschäftigt sich in der DGfM seit Jahren mit dem Thema Pilze und Pilzmikroskopie. Dazu bietet er ein viel beachtetes Wochenendseminar beim NABU an, in dem alle hier angesprochenen Themen (und vieles mehr) betrachtet werden.
Auf Nachfrage unserer beiden Referenten hat uns Herr Dr. Schellhorn die Erlaubnis gegeben, seine Dokumentation mit Bildern von Herrn Wilhelm Schulz hier zum Download anzubieten.
Wochenendseminar zur Pilzmikroskopie
Ganz herzlichen Dank an Dr. Matthias Schellhorn und Wilhelm Schulz für die großzügige Erlaubnis!
Dank
Herzlichen Dank auch an unsere beiden Referenten Eva Wandelt und Lothar Claußnitzer für die beiden wunderbaren Workshops! Die beiden DGfM Sachverständigen haben uns das komplexe Thema Pilzmikroskopie interessant und kurzweilig näher gebracht und sicherlich bei dem einen oder anderen Zuhörer das Interesse für eine weitere Beschäftigung mit dem Thema geweckt!
Literatur und Links
Hier einige Literaturhinweise und nützliche Links sowie die Bezugsquelle der benötigten Chemie.
- Pilzmikroskopie
Präparation und Untersuchung von Pilzen
Bruno Erb und Walter Matheis
Kosmos, 1983, ISBN 3 440 05127 7
Antiquarisch
Die Grundlagen der Pilzmikroskopischen Praxis ...
- Mykologie
Diversität, Morphologie, Ökologie und Evolution der Pilze
Meike Piepenbring
Springer, 2022, ISBN 978 3 662 65073 8
Für alle, die tiefer einsteigen wollen ...
- Trüffeln
Leitfaden zur Analyse der im Handel vorkommen Arten
Rene & Thomas Flammer, Peter Reil
IHW-Verlag, 2013, ISBN 978 3 930 16777 7
Wenn Sie schon immer einmal wissen wollten, welcher Trüffel in Ihrer Leberwurst steckt ...
- Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V.
Der Dachverband unserer beiden Sachverständigen
- PilzePilze
Webseite von Georg Müller zu Allem rund um Pilze, mit Forum
- NABU
Naturschutzbund Deutschland
Interessant auch die jeweiligen regionalen Seiten, z.B.:
NABU Rhein-Sieg oder
NABU Bonn
- Myko-Service
Myko-Service Andreas Gminder
Hier bekommen Sie für kleines Geld die benötigte Chemie für die Pilzmikroskopie, Bücher zur Mykologie und vieles mehr.