Blattanatomie des Zwergpfeffers
Jörg Weiß, vom 31.12.2021
Noch einmal inspiriert von Ray F. Everts "Esaus Pflanzenanatomie" möchte hier eine Besonderheit im Blattquerschnitt des Zwergpfeffers (Peperomia obtusifolia) zeigen. Eine beliebte Zimmerpflanze, die mach einer selbst im Haus haben wird. So stammt auch meine Probe von einer unserer Topfpflanzen. Aber wie immer zunächst einige Worte zur Pflanze selbst.
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Interessantes zum Zwergpfeffer
Der Zwergpfeffer (Peperomia obtusifolia)
Peperomia obtusifolia, der Zwergpfeffer (engl. Baby Rubberplant), ist eine Pflanzenart aus der Familie der Pfeffergewächse (Piperaceae) aus der Ordnung Piperales, die in Florida, Mexiko und der Karibik beheimatet ist. Das spezifische Epitheton obtusifolia bedeutet "stumpfblättrig". Die Pflanze wurde von der Royal Horticultural Society mit dem Award of Garden Merit ausgezeichnet.
Bild 1: Unser Zwergpfeffer, der ein Blatt für die folgende Serie abgeben musste
Am ihrem natürlichen Standort wächst Peperomia obtusifolia kriechend am Boden oder auch epiphytisch auf Bäumen. So ist sie, obwohl in tropischen Breiten beheimatet, nie der direkten Sonne ausgesetzt, liebt jedoch eine hohe Luftfeuchtigkeit. Dies bedeutet aber auch, dass unsere Topfpflanzen kein direktes, intensives Sonnenlicht vertragen und darauf bisweilen mit verbrannten Blättern reagieren (siehe Bild 1 ...).
Bild 2: Blattwerk des Zwergpfeffers
Der Zwergpfeffer ist eine immergrüne, mehrjährige Pflanze, die in der Natur bis zu 25 cm hoch und breit wird. Sie trägt rundlich-schalenförmigen Blättern, die an der Blattoberseite kräftig grün (es gibt panaschierte Zuchtformen, deren Wuchs auch etwas kräftiger ist) und an der Unterseite matt hellgrün sind. Der Blattdurchmesser der wachsartig und sukkulent wirkenden Blätter kann um die 6 cm erreichen. Das besondere hier ist aber die recht ungewöhnliche Dicke von 2 mm und mehr.
Bild 3: Spross des Zwergpfeffers
Der Spross ist deutlich segmentiert und oft rötlich überlaufen. Auch er hat eine sukkulente Anmutung. Auffällig sind die sympodiale Verzweigungen. Hierbei gibt es also keinen durchgehenden Spross, von dem seitlich Blätter und in ihren Achseln Seitensprosse entstehen (monopodiale Verzweigung), sondern jeder Sprossabschnitt ist ein Seitenspross aus der Achsel eines Blattes. In einer Gabelung treten dann zwei Sitensprosse statt nur einem auf.
Bild 4: Blütenstand des Zwergpfeffers
Die sehr kleinen weißlichen Blüten stehen ringförmig an schmalen, bis zu 12 cm langen oft gewundenen Ähren. Die ebenfalls winzigen Nussfrüchte sind gebogen und besitzen eine netzartige Oberfläche.
Leider ist unser Zwergpfeffer bereits verblüht. Aber im Topf fand sich noch einer der Blütenstände: völlig vertrocknet und damit auch ein wenig konserviert.
Bild 5: Auflichtaufnahme vom trockenen Blütenstand
Kurz zur Präparation
Geschnitten habe ich das Blatt freistehend auf dem Tempelchen (Jung Zylindermikrotom im Tischständer vom Olaf Medenbach) mit Leica Einmalklingen 818 im SHK 11° Halter.
Die Schnittdicke beträgt wegen der teils sehr großen Zellen ca. 70 µm.
Fixiert wurden diese für ca. 14 Stunden in AFE mit einmaligem Wechsel nach 5 Stunden. Nach Überführen in Aqua dest. waren die Schnitte dann bereit für die Färbung.
Die Färbung ist W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller. Gefärbt habe ich mit dem Farbgemisch für ca. 8 Minuten mit einmaligem leichten Erwärmen.
Anschließend habe ich wieder gut mit Aqua dest. gespült und für ca. 12 Stunden mit mehrmaligem Wechsel des Wassers sanft differenziert.
Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal.
Die verwendete Technik
Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem NPlan 5x sowie den PlanApos 10x, 20x und 40x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image in der Version 8.0 ran.
Das Blatt im Querschnitt
Hier zunächst die Abbildung 7.4 aus Esaus Pflanzenanatomie von Ray F. Evert (De Gruyter 2009), die mich zu einem näheren Blick auf den Blattquerschnitt des Zwergpfeffers gebracht hat. Das Buch lege ich übrigens jedem botanisch interessierten Mikroskopiker - neben dem am ehesten als Vorgänger zu bezeichnenden Buch Pflanzenanatomie von Katherine Esau selbst - wärmstens ans Herz.
Bild 6: Abbildung 7.4 aus Esaus Pflanzenanatomie
Der erläuternde Text zur Abbildung spricht für sich: wir machen uns auf die Suche nach der mehrreihigen Epidermis, die für den sukkulenten Eindruck des Blattes verantwortlich ist und von der vermutet wird, dass sie auch der Wasserspeicherung dient.
Etwas seltsam für eine Pflanze aus tropischen Breiten, die eine hohe Luftfeuchtigkeit liebt. Ob diese anatomische Besonderheit nicht vielleicht auch dazu dient, bei etwas prekären Lichtverhältnissen dafür zu sorgen, dass z.B. auch seitlich einfallendes Licht optimal genutzt werden kann? Ggf. würde ein solcher Schusterkugel-Effekt auch die Empfindlichkeit gegen direktes Licht erklären ...
Bild 7: Bingo! Unsere Pflanze zeigt die bei Evert beschriebene Besonderheit
Wir sehen in der Bildmitte die etwas verstärkte Mittelrippe des Blattes, diese und der Rest der Spreite sind von einer durchsichtigen Schicht grosslumiger Zellen bedeckt, die teils 4/5 des gesamten Blattquerschnittes ausmacht.
Netter Bildhintergrund? Eigentlich hatte ich nach etwas matt Schwarzem gesucht, das Grau aus einem matten Druckwerk in Griffweite schien mir am besten zu passen. Nun ja, grau für das unbewaffnete Auge ... ich hätte es mir denken können. ;)
Nun wird es aber Zeit für einen Blick durchs Mikroskop!
Bilder 8a-e: Das ungefärbte Blatt im Querschnitt
Zunächst einmal sehen wir, dass unser Blatt an der Oberseite keine nennenswerte Cuticula vor zu weisen hat. Braucht es im feuchten Tropenwald ja auch nicht. Dann kommen 6 bis 8 nach unten hin immer größer werdende Zelllagen, die von Evert als multible Epidermis angesprochen werden. Deswegen sind wir hier ...
Unter der Epidermis dann das nur einlagige Assimilationsparenchym, das aus kleinen, aber palisadenartig dicht gedrängten Zellen besteht, in denen der Hauptanteil der Chloroplasten des Blattes eingebettet ist.
Daran anliegend einige längs getroffene Nebenleitbündel und ein wieder vergleichsweise dickes Schwammparenchym, dessen Zellen ebenfalls recht viele Chloroplasten enthält. Unten dann wieder die diesmal einlagige Epidermis mit einer kaum erkennbaren Cuticula und vielen sehr kleinen Stomata.
Oben zuerst abgebildet (8a-b) die Mittelrippe mit hier 3 Hauptleitbündel. Im Polarisationskontrast sind jede Menge Amyloplasten und auch Calciumoxalatdrusen zu erkennen.
Wie sieht das ganze nun im gefärbten Präparat aus?
Bilder 9-e: Das mit W3Asim I gefärbte Blatt im Querschnitt
Wieder einmal zeigt sich, dass sich die meisten Strukturen eines botanischen Schnittes auch ungefärbt sehr gut ansprechen lassen. Also im Wesentlichen nichts neues. Die einzelnen Gewebe sind in den Bildern 9d und f beschriftet: Epidermis (Ep) und Cuticula (Cu), Assimilationsparenchym (AP), Schwammparenchym (SP), Nebenleitbündel (NLb), Leitbündel (Lb) mit Xylem (Xl) und Phloem (Pl) und ein wenig Rindenparenchym (RP).
Spannend die vielen Amyloplasten (Am) und das sehr dünne Assimilationsparenchym, das vielleicht 15 µm vom gesamten Blattdurchmesser ausmacht. Auch finden wir neben den Tracheen eigentlich keine lignifizierten Zellen, die Stabilität des Blattes wird somit hauptsächlich durch den Turgor der Zellen erreicht.
Die Amyloplasten rufen natürlich nach Polarisationskontrast, der uns noch eine weitere Besonderheit zeigt:
Bilder 10a-d: Der gefärbte Blattquerschnitt im Polarisationskontrast.
Der Polarisationskontrast besonders der Mittelrippe zeigt noch einmal, dass es keine klassischen verholzten Sklerenchyme gibt. Außerdem treten die vielen Amyloplasten im Schwamm- und Rindenparenchym nun sehr deutlich hervor. Wir sehen aber auch, dass in jeder Zelle des Assimilationsparenchyms eine Calciumoxalatdruse sitzt. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist (in den anderen Zellen finden sich fast keine Drusen). Gerade hier nehmen sie ja Platz weg, der weitere Chloroplasten hätte aufnehmen können. Vermutlich liegt der Grund in der Physiologie des Blattes verborgen und kann rein mikroskopisch nicht erschlossen werden.
Auch schön ist die Struktur (Knitter?) der Zellwände der großen Epidermiszellen, die z.B. in Bild 10b farbig zum Vorscheinen kommt, und auch bei den quer geschnittenen Zellwänden zu sehen ist. Die Zellwände scheinen so dünn zu sein, dass die mit Verlust des Turgors jegliche Spannung verlieren.
Wenn eine Pflanze Wasser speichern muss und dies in den normalerweise dann deutlich lichtexponierten Blättern tut, dann würde man erwarten, dass sie dieses mühsam eingelagerte Wasser auch festzuhalten versucht. Somit die innere Feuchtigkeit mit einer dicken Cuticula, wenig Stomata und auch stabileren Zellwänden oder einer weniger exponierten Lage der Speicherzellen weg von der Hauptlichteinfallsrichtung geschützt wird. Als Beispiel mögen hier die
Sansevierien genannt sein. Nichts von alle dem ist hier zu sehen.
Ob wir hier evolutionären Ballast vorfinden und Peperomien bzw. ihre Vorläufer einmal an trockenen Standorten tatsächlich Wasser speichern mussten? Oder ob hier eine Anpassung an die Lichtverhältnisse in den unteren Etagen des tropischen Regenwalds vorliegt, die ggf. aus dem "Sukkulentenbaukasten" hervorgegangen ist? Auch diese Frage muss anhand der vorliegenden Schnitte unbeantwortet bleiben.
Geplant ist jedoch eine Versuchsserie an einem frischen Blattschnitt ähnlich Bild 7, der mit einer Spaltlichquelle bestrahlt wird, sodass man auf einer optischen Bank den Verlauf des Lichtes innerhalb der oberen Epidermis sehen kann. Eine breite Streuung in Richtung des Assimilationsparenchyms würde meine Theorie bezüglich der besseren Ausnutzung einfallendes Lichtes stützen. Mehr dazu, wenn es die Corona-Lage erlaubt.
Literatur und Links
[1] Mikroskopisch-botanisches Praktikum
Gerhard Wanner
, Thieme, 2. Auflage 2010
[2] Pflanzenanatomie
Katherine Esau, Gustav Fischer Verlag, 1969
[3] Botanische Schnitte mit dem Zylindermikrotom
Jörg Weiß, MBK 2011
[4] Botanische Färbungen im Vergleich
Jörg Weiß, MKB 2019
[5] Tabelle der Abkürzungen zur Pflanzenanatomie
Jörg Weiß, MKB 2013
[6] Esaus Pflanzenanatomie
Ray F. Evert
de Gruyter, 2009, S. 162, Abb. 7.4
[7] Zwergpfeffer (Peperomia obtusifolia)
Wikipedia, Stand 31.12.2021
[8] Zwergpfeffer (Zierpfeffer - Peperomia obtusifolia)
Plantopedia.de, Stand 31.12.2021
[9] Zwergpfeffer (Peperomia obtusifolia)
Gartenlexikon.de, Stand 31.12.202
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Bildquellen
- Bild 4: Blütenstand von Peperomia obtusifolia
Aus Wikipedia, User Proofsuit, CC BY-SA 3.0
- Bild6: Abbildung 7.4, Querschnitt durch die Blattspreite von Peperomia
Esaus Pflanzenanatomie, De Gruyter, 2009, Seite 162
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