Kaukasischer Efeu - ein Vergleich
Bild 1: Kaukasischer Efeu im Botanischen Garten Bonn
Jörg Weiß, vom 31.01.2023
Auslöser für diesen Vergleich ist ein
Thread aus dem dem Mikroskopie-Forum zum Kaukasichen oder Kolchis-Efeu (Hedera colchica), in dem mir die Bestimmung der darge- stellten Pflanze anhand der Aufnahmen der Blätter nicht eindeutig erschien. Daher habe ich im Botanischen Garten Bonn Fotos einer dort gehaltenen Pflanze gemacht und auch Proben von Blatt und Spross genommen, um einen sicher bestimmten Vergleich auf makroskopischer und mikroskopischer Ebene zu haben. Ein wegen der bekannten Heterophyllie der Gattung Hedera nicht ganz einfaches Unterfangen, was insbesondere der Vergleich der fertilen Sprosse zeigte. Hier nun der Vergleich zwischen Hedera colchica und dem Gewöhnlichen Efeu Hedera helix. Und am Ende des Artikels finden Sie - quasi als Footage - die Bilder der Präparate, die nicht zum Vergleich benötigt wurden.
Artikelinhalt
Der Kaukasische Efeu, eine kurze Beschreibung
Hedera colchica ist eine Efeuart (Gattung Hedera, Familie Araliaceae in der Ordnung Arales), die im Nahen und Mittleren Osten heimisch ist. Sie wird auch Kaukasischer Efeu, Persischer Efeu oder Kolchis-Efeu genannt. Sie ist eine immergrüne Kletterpflanze, die an geeigneten Stellen (Bäume, Felsen, Mauern) bis zu 30 m hoch wächst, aber auch als Bodendecker gedeiht, wenn es keine vertikalen Flächen gibt. Sie klettert mit Hilfe von Luftwurzeln, die sich am Substrat festhalten und in warmen Klimazonen wächst sie schneller und etabliert sich damit schneller als andere Hedera-Arten.
Bild 2: Blattwerk eines sterilen Sprosses von H. colchica
Die Blätter sind wechselständig, es gibt zwei Typen (Heterophyllie): herzförmige bis fünflappige Jugendblätter an kriechenden und kletternden Stängeln (sterile Sprosse) sowie ungelappte, rautenförmige, lauroide Blätter an fruchtbaren, blühenden Stängeln (fertile Sprosse). Mit einer Breite von 15 cm und einer Länge von 25 cm hat H. colchica die größten Blätter aller Efeuarten.
Zerreibt man die Blätter, lässt sich ein leichter, sellerieartiger Geruch wahrnehmen. Die jungen Sprosse sind dicht behaart. Die flachen Stern- oder Schuppenhaare tragen zwischen 7 bis 30 Strahlen (H. helix hat sternhaare mit 5 bis 7 langen, verdrehten Strahlen, die die Behaahrung buschig erscheinen lässt).
Bild 3: Blätter und Blüten bzw. Fruchtansätze vom fertilen Spross des Kaukasischen Efeus
Die Blüten erscheinen vom Spätsommer bis zum Spätherbst. Die kleinen, grünlichen Einzelblüten stehen in ballförmigen Dolden und sind sehr nektarreich. Sie sind somit eine wichtige Nahrungsquelle für Bienen und andere Insekten. Die kugelförmigen, schwarzen Beerenfrüchte bilden sich in den Wintermonaten oder im zeitigen Frühjahr. Sie wiederum sind eine wichtige Nahrungsquelle für viele Vögel. Jede Beere enthält zwischen einem und fünf Samen, die von Vögeln, die die Beeren verschlucken, verbreitet werden.
Bild 4: Mehrlappige Blätter eines sterilen Sprosses am Rande eine H. colchica cv. Aborescens
Vorweg: ohne den Thread im Forum und die Namensschilder an den Pflanzen im Botanischen Garten wäre mir H. colchica gar nicht aufgefallen, bzw. ich hätte die großen, herzförmigen Blätter der juvenilen Sprosse gar nicht der Gattung Hedera zugeordnet.
Quellen:
Wikipedia zu Hedera colchica (https://en.wikipedia.org/wiki/Hedera_colchica) sowie Metcalfe and Chalk: Anatomy of the Dicotyledons 1950, Vol. II, 157 Araliaceae.
Makroskopischer Vergleich
Hier schauen wir uns die makroskopischen Merkmale der beiden Efeuarten an; zunächst einmal ein Vergleich der Blattformen:
Bild 5: Vergleich der Blätter am sterilen Spross von Hedera helix (links) und Hedera colchica (rechts)
Der kleine Maßstab in der Bildmitte ist 50 mm lang. Wir haben ja schon gesehen, dass gerade die Blattformen der Hedera-Arten aufgrund der Heterophyllie (unterschiedliche Blätter an fertilen und sterilen Sprossen), der Alters-Heterophyllie (dazu gleich mehr) und der vielen Formen und Varianten sehr vielfältig sind.
Dabei kann es durchaus zu Verwechslungen kommen.
Wir haben oben gesehen, dass die Blätter von H. colchica in aller Regel deutlich größer sind, als die von H. helix. Bei H. cholchica sehen wir in der Regel große, Herzförmige Blätter (Stielansatz), die von H. helix zeigen in der Regel 3 bis 5 Lappen oder Finger, bei H. helix tritt die Nervatur oft deutlicher hellgrün hervor.
Zum Vergleich habe ich die größten und eher untypischen Blätter "meiner" H. helix Pflanze heran gezogen. Das Blatt links außen hat z.B. keine Lappen, ist eher Lanzettförmig, das rechts davon zeigt ansatzweise 3 Lappen.
Leider nicht ganz so eindeutig, besonders wenn man die Pflanze irgendwo im Wald findet und kein Namensschild zu sehen ist. :)
Also schauen wir einmal nach den Trichomen der Sprosse, wie hier vorgeschlagen: Anhang nach Ackerfield 2001, Trichome morphology in Hedera (Araliaceae), Edinb. Journ. Bot. 58(2), 2001, S. 259-267:
Bilder 6a-c: Vergleich der Trichome am Spross von H. helix und H. colchica
Das überzeugt! Die Formen der Trichome passen also zu den Bildern von Ackerfield (2001), die auch im eingangs genannten Forenthread gezeigt wurden.
Im Metcalfe and Chalk (Anatomy of the Dicotyledons 1950, Vol. II, findet man auf Seite 726 im Bild Fig. 168. ARALIACEAE jedoch zwei Schupenhaare (b tufted hair und c scale like hair), die Hedera helix zugeschrieben werden. Alles dahin? Nein. Metcalfe gibt nicht direkt an, wo diese Trichome zu finden sind. Der Text weist aber auf die Blattunterseiten hin. Also nachgeschaut.
Bilder 7a,b: Vergleich der Trichome an der Blattunterseite von H. helix und H. colchica
Passt! Beide Arten zeigen sehr ähnliche Schuppenhaare auf der Blattunterseite.
Auf der Suche nach dem Persischen oder Kaukasischen Efeu bin ich in der Pflanzendatenbank der Bonner aber noch auf einen weiteren Eintrag gestoßen: Hedera colchica cv. Aborescens - der Kaukasische Strauchefeu.
Hier kommen wir zum Thema Alters-Heterophyllie. Die Form entsteht entweder im hohen Alter einer Pflanze "in the wild" oder durch menschlichen Eingriff, nämlich die fortgesetzte Stecklingsvermehrung von fertilen Sprossen. Dabei bilden auch diese Pflanzen am Rande wieder einige sterile Sprosse aus - mit entsprechend anders geformten Blättern.
Und ja, das gibt es natürlich auch bei Hedera helix.
Werfen wir nun noch einmal einen Blick auf den Habitus der beiden Arten H. hedera cv. Arborescens und H. colchica cv. Arborescens:
Bilder 8a-d: Vergleich der cv. Aborescens beider Arten
Beide Pflanzen stehen im Garten unmittelbar nebeneinander und sind ineinander verwachsen. Dass hier unsere beiden Delinquenten nebeneinander stehen, ist mir erst aufgefallen, als ich das zweite Schild entdeckt habe. Ich denke, es geht vielen wie mir: bei den beiden cv. Aborescens ist die Unterscheidung mit dem nackten Auge mehr als schwierig.
Bevor es nun zum mikroskopischen Vergleich geht, wie immer ein paar kurze Informationen zur Präparation und zur verwendeten Technik:
Kurz zur Präparation
Geschnitten habe ich den Blattstiel und den Spross freistehend und das Blatt in Möhreneinbettung auf dem Tempelchen (Zylindermikrotom im Halter als Tischmikrotom) mit Leica Einmalklingen 818 im SHK Halter.
Die Schnittdicke beträgt je ca. 50µm.
Anschließend habe ich wie immer einige Aufnahmen von den frischen, unfixierten Schnitten gemacht.
Fixiert wurden diese für ca. 24 Stunden in AFE.
Die Färbung ist W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller. Gefärbt habe ich mit dem Farbgemisch für ca. 8 Minuten mit einmaligem leichten Erwärmen.
Anschließend habe ich wieder gut mit Aqua dest. gespült und für ca. 24 Stunden mit mehrmaligem Wechsel des Wassers sanft differenziert.
Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal.
Und zur verwendeten Technik
Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem NPlan 5x sowie den PlanApos 10x, 20x und 40x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.08 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.
Mikroskopischer Vergleich - der Spross
Nun aber zum Vergleich!
Hier stelle ich jeweils passende Bilder von H. colchica und H. helix gegenüber. Immer zuerst das Bild vom Kaukasischen Efeu und darunter das vom Gewöhnlichen Efeu.
Beginnen wir mit dem Spross:
Bilder 9a-d: Vergleich des Sprosses von H. helix und H. colchica
Bei beiden Arten ist der Spross identisch aufgebaut: von innen nach außen finden das Markparenchym (bei H. helix mit vereinzelten Sekretgängen), das primäre Xylem und Xylem mit Tracheen gefolgt vom Cambium und dem Phloem. Darauf folgen Sklerenchyminseln (bei H. helix oft nur einzelne Zellen) und ein recht dickes Rindenparenchym, in dem bei beiden Arten Sekretgänge liegen. Nach außen hin wird der Spross durch ein Kollenchym und das Abschlussgewebe begrenzt. Beim jüngeren Spross von H. helix sehen wir hier Epidermis und Cuticula, beim H. colchica finden wir ein im Aufbau befindliches Periderm.
In den Parenchymen liegen viele Drusen und in beiden Fällen finden wir disfunktionales Phloem.
Zusammengefasst:
Hedera colchica Hedera helix
- keine Sekretgänge - Einzelne Sekretgänge
im Markparenchym im Markparenchym
- kleine Sklerenchymkappen - nur einzelne Sklerenchymzellen
über dem Phloem über dem Phloem
Mikroskopischer Vergleich - der Blattstiel
Als nächstes schauen wir uns den Blattstiel an:
Bilder 10a-d: Vergleich des Blattstiels von H. helix und H. colchica
Auch hier kaum Unterschiede, abgesehen vom deutlich größeren Durchmesser des Blattstiels von H. colchica, was aber ein makroskopisches Merkmal ist.
In beiden Fällen haben wir ein Markparenchym, um das teils muschelförmige, oft verbundene Leitbündel liegen (Xylem, Cambium und Phloem, oft disfunktionale Phloemzellen am äußeren Rand). Hier finden wir bei H. colchica kaum Sklerenchymkappen, während diese bei H. helix deutlicher ausgeprägt sind - auch ist das Xylem dort vergleichsweise stärker vertreten.
Nach außen hin folgen Rindenparenchym mit Sekretgängen, ein Kollenchym sowie Epidermis und Cuticula.
In den Parenchymen liegen viele Drusen.
Zusammengefasst:
Hedera colchica Hedera helix
- schwach verholztes Xylem - massives, stark verholztes Xylem
- nur einzelne Sklerenchymzellen - kleine Sklerenchymkappen
über dem Phloem über dem Phloem
Mikroskopischer Vergleich - das Blatt
Zum Schluss schauen wir uns die Blattspreite an:
Bilder 11a-d: Vergleich des Blatts von H. helix und H. colchica
Hier haben wir von oben nach unten in beiden Fällen Cuticula und Epidermis, darunter ein zwei- bis dreireihiges Assimilationsparenchym gefolgt von einem Schwammparenchym mit recht großen Aereolen. Zwischen den beiden Parenchymen liegen die Leitbündel. Auf der Blattunterseite haben wir wieder Epidermis und Cuticula mit eingelagerten Stomata. Und auch in der Spreite finden wir bei beiden Arten Calciumoxalatdrusen.
Bei den Blättern ist es mit den Unterschieden so eine Sache, da diese sich auch bei einer Art, ja bei einer Pflanze teils deutlich unterscheiden (z.B. Sonnenblatt und Schattenblatt, auch beim Efeu deutlich ausgeprägt). Hier würde ich also im Rahmen des Vergleichs von nur zwei Proben keine Unterschiede ansprechen wollen.
Fazit:
Bis auf wenige Kleinigkeiten zeigen alle betrachteten Pflanzenteile prinzipiell den gleichen Aufbau. Auch hier zeigt sich wieder, dass sich die Arten einer Gattung in aller Regel mikroskopisch nicht unterscheiden lassen, da die anatomischen Unterschiede zu gering sind.
Weitere Bilder von den Präparaten
Viele Aufnahmen von den gemachten Schnitten wurden nicht für den Vergleich benötigt. Diese folgen nun in eigenen Galerien sortiert nach den jeweiligen Pflanzenteilen. Eine Beschreibung finden Sie jeweils unter dem entsprechenden Bild.
Bilder 12a-m: Der Spross
Bilder 13a-q: Der Blattstiel
Bilder 14a-g: Das Blatt
Literatur und Links
[1] Mikroskopisch-botanisches Praktikum
Gerhard Wanner
, Thieme, 2. Auflage 2010
[2] Pflanzenanatomie
Katherine Esau, Gustav Fischer Verlag, 1969
[3] Botanische Schnitte mit dem Zylindermikrotom
Jörg Weiß, MBK 2011
[4] Botanische Färbungen im Vergleich
Jörg Weiß, MKB 2019
[5] Tabelle der Abkürzungen zur Pflanzenanatomie
Jörg Weiß, MKB 2013
[6] Esaus Pflanzenanatomie
Ray F. Evert
de Gruyter, 2009
[7] Anatomy of the Dicotyledons
Metcalfe and Chalk, Oxford Press 1950
Vol. II, S. 157 ff Araliaceae
Bildquellen
- Bild 6c: Trichome am Spross von H. colchica und H. helix
Ackerfield, 2001
- Alle anderen Aufnahmen vom Autor des Artikels
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