Lichtgehärtet - Erfahrungen mit Eukitt UV

Bild 1: Blattstiel der Weißen Seerose, eingedeckt in Eukitt UV
Jörg Weiß, vom 27.10.2023
Ich denke, dass die meisten von uns zum Eindecken botanischer Schnitte Eupa- ral verwenden. Dieses seit Jahrzehnten bewährte Einschlussharz hat den großen Vorteil, relativ tolerant gegenüber kleine- ren Mengen Restfeuchtigkeit im Schnitt zu sein und außerdem verschwinden auch größere Luftblasen oder wandern zum Deckglasrand. Zudem reicht eine Entwässerung in Isopropanol, die Xylolstufe wie z.B. bei Malinol oder Kanadabalsam entfällt.
Leider braucht Euparal jedoch eine längere Zeit zum Aushärten: bis Präparate sicher senkrecht archiviert werden können, sollten sie mindestens eine Woche auf der Wärmeplatte gelegen haben. Vollständig ausgehärtet ist ein Präparat mit einem z.B. 50 µm dicken Schnitt oft erst nach 5 bis 7 Monaten. Eindecken und direkt mikroskopieren ist also zumindest schwierig, zumal der optimale Brechungsindex erst nach einiger Zeit erreicht wird. Öl-Immersion geht erst mal gar nicht: zu groß ist die Gefahr, dass sich das Deckglas verschiebt und das Präparat somit unbrauchbar wird und neu eingedeckt werden muss (was immerhin möglich ist).
Hier kommen die schnell aushärtenden Eindeckmittel ins Spiel, wie wir sie z.B. mit Eukitt ebenfalls seit Jahren kennen. Eukitt muss jedoch über Xylol eingedeckt werden, weil es keine Toleranz gegenüber Wasser hat, und Luftblasen bleiben in der Regel stehen. Dafür ist das Präparat nach ca. 20 Minuten durchgehärtet. Seit einiger Zeit gibt es nun mit Eukitt UV ein UV-aushärtendes Eindeckmittel, das laut Beschreibung des Herstellers unter UV-Licht (365 nm) innerhalb von 60 Sekunden aushärtet.
Eukitt UV von ORSAtec ist für Präparierautomaten in der Pathologie und Histologie gedacht und gehört zu einem Set aufeinander abgestimmter Reagenzien für diese Geräte. Dabei muss man auch sehen, dass die Schnittdicke bei dieser Anwendung in der Regel um einen Faktor 5 geringer ist, als die meiner Pflanzenschnitte mit 40 bis 60 µm. Trotzdem macht die neue Technologie neugierig und auch die Aussicht, nach einer Minute fertige Präparate zu erhalten, ist attraktiv. Zumal zu erwarten steht, dass sich der Farbeindruck der Schnitte nach dem Aushärten nicht mehr in dem Umfang ändert, wie es im Euparal bei ein wenig Restfeuchtigkeit üblich ist.
Den ersten Versuch mit Eukitt UV haben wir im September bei Wolfgang Grigoleit in Kassel gestartet: leider war ein großer Teil (8 von 10) der nach dem Eindecken und Aushärten einwandfreien Präparate schon am nächsten Morgen von Blasen oder Einschlüssen übersät und unbrauchbar. Dabei entstanden die Blasen sowohl direkt am Schnitt als auch kreisförmig in der freien Fläche um den Schnitt herum. Und zu allem Überfluss wachsen diese Artefakte langsam, aber stetig und lassen sich auch durch Nachbelichten nicht stoppen. Was war da wohl passiert?
Bilder 2a-f: Hungerblasen in der ersten Präparateserie aus Kassel nach ca. 3 Wochen
Laut Herstellerprotokoll können Schnitte sowohl aus Isopropanol als auch aus Xylol eingedeckt werden. Dazu gibt man ein Wenig (Zahnstocher oder feiner Tropfstab) des Eukitt UV auf einen gereinigten Objektträger, legt den Schnitt mit dem Pinsel vorsichtig in den Tropfen, wartet mindestens Zwei Minuten, damit das Eindeckmittel den Schnitt durchdringen kann (das Deckglas kann als Staubschutz schon aufgelegt werden) und drückt das Deckglas dann bei Bedarf leicht an. Dabei ist zu beachten, dass das Eukitt UV nach Möglichkeit nicht unter dem Deckglasrand hervorquillt, sondern eher ein wenig vom Rand entfernt bleiben sollte. Es wird also wirklich vergleichsweise wenig Eindeckmittel benötigt.
Anschließend belichtet man das Präparat von oben für 60 Sekunden mit einer 365 nm UV Lampe, die auch beim Hersteller erhältlich ist oder anderweitig im Netz beschafft werden kann.
Danach ist das Präparat fertig und kann sofort – auch unter Öl-Immersion – genutzt werden.

Bild 3: Verarbeitungsanweisung des Herstellers
Im ersten Lauf haben wir die zwei Minuten Wartezeit sicherlich nicht immer genau eingehalten und auch die Belichtung erfolgte nach Gefühl. Bei dem Ergebnis mussten also weitere Versuche mit sorgfältiger Einhaltung der Herstellervorschriften gemacht werden. Gesagt getan, das Ergebnis war wieder nicht berauschend (6 von 10 mit Blasen), obwohl ich eine andere UV Lampe mit deutlich größerem Beleuchtungsfeld genutzt habe.
Bilder 4a-e: Bilder verdorbener Präparate der zweiten Präparateserie
Also noch mal überlegt: da Pflanzenschnitte deutlich dicker sind, können zunächst zwei Aspekte zum Tragen kommen: das Eukitt UV braucht länger als zwei Minuten, um den dickeren Schnitt ausreichend zu durchdringen und / oder der Schnitt schattet das darunterliegende Eindeckmittel ggf. so weit ab, dass es nicht mehr durchpolymerisiert.
Ich habe dann nochmals zwei Serien gemacht, in denen ich nur wirklich dünne, fehlerlose Schnitte verwendet habe (Efeu 50 µm und Seerose wegen der Astrosklereiden 60 µm), vor dem Beleuchten 4 Minuten gewartet habe und das Präparat anschließend für je 60 Sekunden von oben und unten mit 365 nm beleuchtet habe. In beiden Fällen hatte ich von 4 Präparaten eines mit Blasen, beim letzten Versuch erst am dritten Tag. Aber aus der letzten Serie haben nach 8 Tagen alle 4 Präparate mehr oder weniger große Hungerblasen.
Dazu kommt auch, dass beim leichten Andrücken (plane Schnitte ...) immer eine kleinen Rand Eukitt UV unter dem Deckglas hervorquillt, was laut Herstelleranweisung nicht geschehen sollte (Punkt 5. in Bild 2).
Bilder 5a-c: Bilder verdorbener Präparate der Präparateserien 3 und 4
Wirklich sicher in der Anwendung ist das Eukitt UV für die dicken Pflanzenschnitte also (noch?) nicht und wir müssen immer im Hinterkopf behalten, dass wir das Produkt für einen Zweck nutzen, für den es nicht gemacht worden ist, es also außerhalb seiner Spezifikationen nutzen.
Ein Forist des Mikroskopie Forums hat sich im
Forenthread zum Eukitt UV das Sicherheitsdatenblatt und die Patenteinreichung des Herstellers angesehen. Er schreibt unter anderem:
Zitat von User "jcs" aus dem Mikroforum:
... ich habe mir das Sicherheitsdatenblatt von Eukitt UV sowie die Patenteinreichung von Orsatec zu den Eindeckmitteln angeschaut. Eukitt UV besteht hauptsächlich aus einem dreifach-funktionellen Acrylat sowie einem dazugehörigen Photoinitiator. Im Patent sind Substanzen genannt, die zwar ähnlich aufgebaut sind, aber offenbar nur in modifizierter Art im eigentlichen Produkt verwendet werden. ...
Acrylate polymerisieren radikalisch, was eine Empfindlichkeit gegenüber Sauerstoff zur Folge hat. D.h. eventuell vorhandener Restsauerstoff in den Schnitten kann die Polymerisation inhibieren, wodurch es zu einer unvollständigen Aushärtung kommt. Das könnte erklären, warum das Material trotz Belichtung gelartig bzw. teilweise flüssig bleibt.
Das im SDB genannte Tri-Acrylat ist durch die hohe Funktionalität sehr reaktiv, allerdings schrumpft es auch relativ stark. In den vergleichsweise dicken Schichten herrschen nach der Belichtung also große Schrumpfungsspannungen, was in Kombination mit der unvollständigen Aushärtung das Entstehen der Blasen erklären könnte.
Bei den dünnen histologischen Schnitten ist das alles weniger ein Problem, bei dicken botanischen Schnitten aber offenbar schon.
Aber wenn das Präparat gelingt, wird man mit knackigen Farben und klarem Hintergrund belohnt, siehe Bild 1 und im
Artikel zur Weißen Seerose. Zum Thema Langzeitstabilität sichert der Hersteller 10 Jahre zu – eben genau auf den Punkt für die Archivierungspflicht von Befunden in der Medizin. Ob diese bei gelungenen Präparaten ohne Hungerblasen erreicht oder ggf. sogar überschritten wird, muss die Zeit zeigen.
Mein Rezept als Ansatz für weitere Experimente:
Wer selbst weiter experimentieren möchte, findet hier das genaue ,,Rezept", wie ich es bei den letzten Beiden Reihen verwendet habe.
- Ausgangspunkt: gespülte und differenzierte Pflanzenschnitte in Aqua dest.
mit einer Schnittdicke zwischen 40 und 60 µm
- Entwässern in Isopropanl 99,8% (3* im schnellen Wechsel,
2 * 2 Minuten, 2 * 5 Minuten)
- Überführen der Schnitte in Xylol
- Spülen in Xylol (3 * 1 Minute, 2 * 5 Minuten)
- Lagern der Schnitte in Xylol
- Ein Tropfen Euparal UV R auf den frisch gereinigten und staubfreien
Objektträger
- Übertragen eines Schnittes per Pinsel in den Tropfen auf dem
Objektträger
- Dabei darauf achten, dass nicht zu viel Xylol übertragen wird, ggf.
etwas abdampfen lassen, hängende Tropfen unbedingt
vermeiden (abstreifen)
- Deckglas blasenfrei auflegen
- 4 Minuten einwirken lassen
- Deckglas ggf. etwas andrücken, dabei sollte das Eukitt UV R möglichst
nicht unter dem Deckglas hervorquellen
- Für je 60 Sekunden von der Ober und Unterseite mit UV belichten
365 nm LED-Taschenlampe
- Präparate in der ersten Woche auf auftretende Schäden prüfen,
spätere Schäden sind selten aber möglich
Ausblick
Wenn sich das Verfahren stabilisieren lässt, wäre auch eine Belichtung in einem UV Nageltrockner möglich. Da diese Geräte mit 365 nm UV LED nur von oben belichten, müsste geprüft werden, inwieweit ein unter den Präparaten liegender Spiegel sicher stellt, dass auch von unten belichtet wird. Der Spiegel dient dann gleichzeitig als Tablett für mehrere Präparate und bedient – wie sonst die eingelegte Hand – die Einschaltautomatik des Geräts. Nageltrockner sind im Netzt für um die 20 Euro erhältlich.
Bezugsquelle
Fazit zu meinen eigenen Experimenten
Eukitt UV ist nicht für das Eindecken von dicken Pflanzenschnitten um die 40 bis 60 µm gedacht. Es wurde für histologische Schnitte entwickelt, die um einen Faktor 5 dünner sind. Selbst bei Ausweitung der in der Verarbeitungsanweisung angegebenen Einwirk- und Belichtungszeiten besteht auch bei "perfekten" Schnitten die Gefahr von Hungerblasen, die oft direkt im Schnitt entstehen, da dort das Deckglas nicht nachgeben kann. Bei mir trifft es immer noch mindestens 25 bis 50% der gemachten Präparate, oft zeigen nach einer Woche alle Präparate Blasen.
Andererseits konserviert Eukitt UV die Farben der Färbung im Moment des Eindeckens, das bei z.B. Euparal bekannte Verblassen insbesondere zu feucht eingedeckter Schnitte entfällt. Gelungene Präparate belohnen den Präparator mit klaren Strukturen und sehr guten Farben. Zum Fotografieren eine feine Sache, aber die Präparate sollten nicht fürs Archiv benötigt werden.
Ich werde also bei meinem Standard Euparal bleiben und Eukitt UV nur dann verwenden, wenn ich ein Präparat sofort weiter bearbeiten muss oder Fotos von einer bestimmten Färbesituation machen möchte, die nicht verblassen soll.