Zwei Zeiss Wasser-Immersionsobjektive 63x - ein Vergleich
Thilo Bauer,
vom 01.08.2020
Dieser Artikel beschreibt den Kurzvergleich zweier Wasser-Immersionsoptiken C-Apochromat 63x/1,2 W Korr (RMS) und LCI Plan-Neofluar 63/1,3 DIC Imm Korr sowie ihre Eignung für die mikroskopisch, visuelle Beobachtung und Mikrofotografie von Protisten (Protozoen) und des Planktons.
Moderne Wasser- und Multi-Immersionsoptiken
Beim C-Apochromat W handelt es sich um einen spezielles Design eines reinrassigen Wasser-Immersionsobjektivs, das farbkorrigiert ist vom kurzwelligen UV-Bereich bis in den Bereich des infraroten Lichts. Es ist ein Objektivtyp der unter anderem konzipiert ist für spezielle Fluoreszenz-Anwendungen mit Farbstoffen die mit UV-Licht angeregt werden (350-380 nm). Auch für Fluorochrome bei Anregung mit rotem Licht, soll infrarote Emission (>700 nm) scharf abgebildet sein. Die Achillesverse des Apochromats ist aufgrund der vielen Linsen eine geringe Transmission im besagten UV- und IR-Bereich. So hat ein "gewöhnlicher" Plan-Apochromat kaum mehr als 30% Transmission bei einer Wellenlänge von 365 nm im ultravioletten Licht. Der C-Apochromat besitzt durch Auswahl spezieller Gläser bei 365 nm immerhin noch etwa 50% Transmission, was im UV-Bereich fast einer Verdopplung der verfügbaren Lichtmenge entspricht - abgesehen von der hohen Apertur eines Immersionsobjektivs.
LCI steht für Life-Cell-Imaging, also die fotografische Abbildung lebender Zellen. Unter diesem Kürzel werden zwei Objektivtypen angeboten, nämlich das LCI Plan-Neofluar oder der LD LCI Plan-Apochromat. Es sind potentere und weiter entwickelte Nachfahren des bekannten Multi-Immersionsobjektivs der frühen Axio Serien. Sie ermöglichen nicht nur eine Immersion mit Wasser, sondern auch mit Glyzerin (bzw. Silikonöl) und bei einigen Modellen auch mit Öl. Während Wasser das Medium des Planktons ist, wird Glyzerin als höher brechendes Einbettungsmedium vor allem bei der Untersuchung von Pflanzengewebe, -schnitten oder Zellkulturen humaner oder tierischer Zellen genutzt, um eine höhere Auflösung zu erhalten. Die LCI Plan-Neofluare haben ihre Stärke in der besseren Transmission im UV-Bereich und im IR. Sie bieten, wie im Folgenden gezeigt, insgesamt eine bessere Transmission auch im visuellen Bereich des Lichts und damit Vorteile bei Anwendungen mit wenig Licht. Das Kürzel LD steht für long distance, die LD LCI Plan-Apochromate sind also konzipiert für einen noch größeren Arbeitsabstand. Der LD LCI Plan-Apochromat hat gegenüber den LCI Plan-Neofluaren wiederum eine verminderte Transmission in den Randbereichen des UV und IR.

Abbildung 1: Die beiden Kontrahenten: C-Apochromat 63x/1,2 W Korr mit RMS Gewinde (links) und LCI Plan-Neofluar 63x/1,3 DIC Imm Korr mit dem modernen M27 Gewinde (rechts).
Durchführung
Der Vergleich beider Objektive wurde durchgeführt an einem Zeiss Axio Lab.A1, ausgestattet mit einem Immersionskondensor NA=1,25 und bestückt mit einer Canon EOS 77D am Zeiss Fotoadapter 1,6x. Beide Objektive müssen zur Beobachtung stets immergiert werden, hier ebenfalls mit einem Tropfen demineralisiertem Wasser. Der C-Apochromat wurde mit einem Zeiss Adapter RMS an die M27 Aufnahme des Objektivrevolvers angepasst. Der Kondensor wurde für die Aufnahmen mit demineralisiertem Wasser immergiert und geköhlert, um beide Objektive voll auszuleuchten und die verfügbare Auflösung voll auszuschöpfen. Zur Einstellung der optimalen schiefen Beleuchtung wird die Hellfeldblende des Kondensor soweit herausgedreht, dass ihr Rand beim Blick in den Tubus (ohne Okular) exakt zur Mitte der hinteren Objektivöffnung (Apertur) reicht und eine augenförmige Öffnung frei bleibt.

Abbildung 2: Zwei Exemplare von Prorodon ovum in ihren Ruhezysten. Bei fest gewählter ISO Zahl und identischer Belichtungszeit ergibt das LCI Plan-Neofluar 63x/1,3 DIC Imm Korr ein deutlich helleres und farbigeres Bild gegenüber dem C-Apochromat 63x/1,2 W Korr.
Ergebnis
Im unmittelbaren, visuellen Vergleich ergibt der getestete C-Apochromat ein etwas gelbstichiges Bild. Dies überrascht nicht. Gegenüber dem LCI Plan-Neofluar ist der C-Apo vom UV bis ins Infrarote besser farbkorrigiert, weist jedoch eine deutlich welligere Transmissionskurve auf, die im blauen Licht früher und flacher abfällt. Das LCI Plan-Neofluar weist eine breitere und ebene Transmission auf, die im UV später und schneller abfällt. Im UV liegen dann beide Objektive bei 365 nm hinsichtlich der Transmission in etwa gleich auf. Der fehlende Blauanteil ergibt beim C-Apo visuell ein gelberes Bild. Stellt man den Weißabgleich der Canon Kamera sauber ein, so stellt sich bei dem LCI Plan-Neofluar ein insgesamt farbigeres Bild ein, während der C-Apochromat eher nüchtern und grau daher kommt. Dieser Effekt beruht auf einer sattelförmigen "Delle" in der Transmission des C-Apochromat bei Wellenlängen von 530-580 nm, welche grünem bis gelbem Licht entspricht.
Insgesamt decken sich die farbigen Abbildungen und gemessenenen Histogramme der Aufnahmen mit der Canon Kamera gut mit den Transmissionskurven in den Zeiss Datenblättern. Vor allem ist zu bemerken, dass das LCI Plan-Neofluar im Durchlicht ein deutlich helleres Bild ergibt. Hingegen schluckt der viel-linsige C-Apochromat mehr Licht, vor allem in einigen Spektralbereichen, weshalb die abgebildeten Farben für das Auge und mit der Kamera beim C-Apochromat eher gedämpft und nicht so bunt erscheinen, wie sie das LCI Plan-Neofluar mit seiner nahezu linearen Transmission im visuell sichtbaren Bereich wiedergibt. Entscheidende Merkmale, die das LCI Plan-Neofluar für die Fotografie und insbesondere bei schnell bewegten Objekten, wie Ciliaten, besser geeignet erscheinen lässt.
Hinsichtlich der Farbkorrektur der optischen Abbildung lassen sich visuell keine Unterschiede feststellen. Beide Objektive verfügen über eine ausgezeichnete Farbkorrektur und Schärfe im Detail. In der digitalen Ausschnittsvergrößerung sind beim LCI Plan-Neofluar geringfügig farbigere Ränder an den abgebildeten Membranen von kleinen Zellorganellen (Vesikel) zu erkennen. Da das LCI Plan-Neofluar jedoch auch deutlich mehr blaues und rotes Licht passieren lässt, zudem nicht den Sattel des C-Apos im gelb-grünen Licht besitzt, treten farbige Aberrationen in rot und blau vermutlich auch aus diesem Grund deutlicher hervor im direkten Vergleich beider Optiken. Hier befindet man sich in einem Grenzbereich, in dem echte Farbfehler von einem durch Transmission hervorgerufenen Unterschied nicht klar zu unterscheiden sind. Hinsichtlich der Schärfe und des Kontrasts gibt es weder visuell, noch fotografisch einen signifikanten Unterschied. Eher sind Unterschiede in Bewegungen der Organellen zwischen den Aufnahmen und in einer abweichenden Fokussierung zu suchen. Beide Objektive werden nacheinander eingeschwenkt und müssen getrennt fokussiert werden. Fehlende Parfokalität ist hier ein mechanisches Problem, da ein modernes Objektiv mit M27 und eines aus der RMS Serie (mit Adapter) gemischt am modernen Axiolab verwendet wurden. Ein Vergleich oder Kommentierung in dieser Hinsicht ist daher obsolet.
Diskussion
Mir ist bis dato kein Vergleich solcher High-End Optiken bekannt. Meist sind sie in Laboren an einem großen Forschungsmikroskop beheimatet. Über eine "normale" Anwendung dieser Spezialoptiken in der Mikro-Fotografie wird eher selten berichtet. Doch sind sie auch in der Dokumentation von Arten des Planktons präsent und werden von einigen wenigen Spezialisten auch im Bereich der Amateurwissenschaft seit Jahren exakt für diesen Zweck genutzt. Ist doch die Beobachtung von Plankton gerade eine der Domänen dieser Wasser-Immersionsobjektive, abgesehen von ihren Spezialanwendungen in Bereichen von Anwendungen der Fluoreszenz und Super-Resolution Microscopy.

Abbildung 3: Die Detailvergrößerung ergibt für beide Objektive ähnlich gute Werte für Bildschärfe, Kontrast und Farbkorrektur. Hier wurden beide Aufnahmen auf gleiche Helligkeit abgeglichen. Die Bilder sind abgebildet, wie sie die Kamera aufnahm, es erfolgte insbesondere keine weitere Nachbearbeitung, wie etwa Schärfen des Bildes. Die in der Aufsicht kranzförmig ovale Mundreuse (mitte) von Prorodon ovum, wird in schiefer Beleuchtung spielend aufgelöst und ist gut erkennbar, ohne dass man die Unterstützung eines kontrastierenden Verfahrens benötigt.
Der visuelle und fotografische Vergleich dieser beiden High-End Optiken gleicht natürlich einem Jammern auf sehr, sehr hohem Niveau. Objektive, die obigen Anforderungen genügen, obendrein für die Konfokalmikroskopie empfohlen sind, sind in der Mikro-Fotografie natürlich gerade gut genug. Beide Objektive haben eine vergleichbar hohe Apertur, damit bestmögliche Auflösung für diesen Anwendungsfall und eine hervorragende optische Korrektur von Abbildungsfehlern. Sie liefern daher ein sehr kontrastreiches und hoch aufgelöstes Bild. Dies wird gefördert durch den Umstand, dass sie als Wasser-Immersionsobjektive mit relativ großem Arbeitsabstand auch in tiefe Schichten einer wässrigen Probe bis hinab zu 220 µm unter das Deckglas reichen und ein Bild liefern, das keine Wünsche hinsichtlich Kontrast und Bildschärfe offen lässt. Es macht einfach nur noch Spaß, durch die Probe zu fokussieren und zu bemerken, dass der Bildkontrast in keiner Schärfenebene nachlässt. Bei manchen Ciliaten kann man sogar durch sie hindurch blicken und Cilien und Mundöffnung auf der Rückseite studieren. Das ist zugegeben etwas gewöhnungsbedürftig, denn anfänglich hatte ich mich schon mehrfach gefragt, ob es Hypotricha (eine weitere Gattung der Ciliaten) gibt, deren Körperbau spiegelbildlich erscheint. Man erwartet es einfach nicht, dass man so tief in der Probe auf der rückwärtigen Seite eines Ciliaten noch ein scharfes Bild erhält.
Die visuell und fotografisch erlebten Eigenschaften beider Objektive machen sowohl das LCI Plan-Neofluar 63x/1,3 DIC Imm Korr, als auch den C-Apochromat 63x/1,2 W Korr zum idealen Begleiter im Endausbau eines Zeiss Axio Lab.A1 oder Axiolab 5, für welche kein DIC verfügbar ist.
Für den "Tümpler" unter den Amateur-Mikroskopikern gibt es zwei Gewinner und einen Favoriten unter den Kontrahenten. Nach dem unmittelbaren Vergleich bleibt das LCI Plan-Neufluar 63x/1,3 DIC Imm Korr weiterhin meine erste Wahl für die höchste Vergrößerung, bestmögliche Auflösung und kurze Belichtungszeiten bei der Beobachtung von Protisten. Die Farbwiedergabe und das helle Bild haben mich einmal mehr überzeugt, dass die Wahl dieses Objektivs langfristig eine gute Entscheidung bleibt. Diese Entscheidung fällt nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv aus. Denn die Entscheidungskriterien hängen immer von der Anwendung ab. Diese Anwendungen sind in meinem Fall die Dokumentation bewegter Ciliaten mit Durchlicht- und Fluoreszenz-Mikroskopie, besonders mit UV-Anregung für die selbst entwickelte Färbung. Hier ist die größte Herausforderung eine möglichst kurze Belichtungszeit der Kamera. Das LCI Plan-Neofluar gestattet kurze Belichtungen bis hinab zu 1/800s ohne Blitz und bis zu 1/100s in Fluoreszenz, in seltenen Fällern sogar kürzere Belichtungszeiten. Mit diesem Objektiv lassen sich bei der gewählten Vergrößerung 63x auch bewegte Ciliaten in Fluoreszenz einfach besser ablichten. Jede wählbare, kürzere Belichtungszeit ist hier entscheidend für ein scharfes Foto. Ein weiterer, kleiner Vorteil des LCI Plan-Neufluar ist ein rein praktischer: Der vordere Kegel mit der Frontlinse ist nicht so flach gearbeitet, wie beim älteren C-Apochromat. Das ermöglicht, dass Präparate beim Nachtröpfeln von Wasser mit einer Mikropipette besser zugänglich sind, wenn länger beobachtet werden soll und der Wasserverlust durch Verdunsten gelegentlich auszugleichen ist.
Eine höhere Auflösung, als die des LCI Plan-Neofluar 63x/1,3 DIC Imm Korr, ist in einer wässrigen Probe nicht zu erwarten. Der Unterschied im Brechungsindex des Übergangs Wasser-Glas, genauer die entstehende Totalreflexion an der Grenzschicht ab einem bestimmten Winkel der Lichtstrahlen, begrenzt die maximal mögliche Apertur des Objektivs schon am Deckglas. Beim LCI Plan-Neofluar ist die Apertur mit maximal 1,3 bereits voll ausgeschöpft, mehr geht praktisch nicht. Zudem ist bei beiden Objektiven durch hohe Farbkorrektur und Korrektur der sphärischen Aberration eine Grundvoraussetzung gegeben, die erwartete Bildschärfe in jeder Tiefe des Präparats tatsächlich auch abzuliefern. Man arbeitet hier mit Freude im Grenzbereich der machbaren Auflösung eines modernen Mikroskops ohne Abstriche machen zu müssen.
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