Papieranalyse unter dem Mikroskop

Bild 1: Papierfasern in Etzold FCA Färbung
Rolf-Dieter Müller vom 01.10.2018
Papier ist ein Allerwelts- werkstoff, der jährlich zu millionen Tonnen in den unterschiedlichsten Qualitä- ten hergestellt wird. Dabei reicht die Spanne von diversen Hygienepapieren über Schreib- und Künst- lerpapier bis zu den speziellen Urkunden- und Banknotenpapieren. Bei der Papierherstellung kommen neben verschiedenen pflanzlichen Rohstoffen auch Wolle, Kunstfasern und nicht zuletzt Altpapier aus dem Recyclingkreislauf zum Einsatz. Die Zusammensetzung eines Papiers lässt sich dabei unter dem Mikroskop bestimmen, da sich alle verwendeten Rohstoffe durch charakteristische Strukturen im Präparat verraten. Dies ist Aufgabe der Papieranalyse zur Qualitätskontrolle bei der Herstellung und Rohstoffanalyse und auch ein interessantes Feld für den Hobbymikroskopiker, da die entsprechenden Präparate einfach und ohne großen Aufwand erstellt werden können.
Wie dies geht und was es zu finden gibt, soll der folgende Artikel beschreiben.
Artikelinhalt
Ein wenig Theorie

Bild 2: Papierherstellung Anfang des 18. Jahrhunderts, Wikipedia, unbekannter Autor, gemeinfrei
Papier ist ein flächiger Werkstoff, der im Wesent- lichen aus Fasern meist pflanzlicher Herkunft be- steht und durch Entwäs- serung einer Fasersus- pension auf einem Sieb gebildet wird. Das ent- stehende Faservlies wird verdichtet und getrocknet.
Dies geschah früher durch Auflösen des Rohmaterials in Wasser und Abschöpfen des Papierbreis mit recht- eckigen Siebkästen. Nach dem Abtropfen und ersten Antrocknen wurde das Faservlies gelöst, gewalzt und zum trocknen aufgehangen. Ein sehr arbeitsaufwändiges Verfahren, das sich für sehr hochwertige handgeschöpfte Papiere erhalten hat (Büttenpapier).
Heute ist die Herstellung voll automatisiert. Papiermaschinen erstellen das Papier in bis zu 10 Meter breiten Rollen mit je nach Papierart Durchlaufgeschwindigkeiten von teils über 100 Kilometer pro Stunde. Solche Anlagen sind über 100 Meter lange und zwei Stockwerke hohe HighTech-Maschinen, die in entsprechend großen Hallen im 24h-Betrieb laufen.

Bild 3: Prinzip einer Langsiebpapiermaschine, Wikipedia, User zuckerschnute, CC BY-SA 3.0
Papier besteht im wesentlichen aus den folgenden Stoffklassen und Materialien:
Faserstoffe:
Holzschliff, Halbzellstoffe, Zellstoffe, Altpapier sowie anderen Fasern
Kunstfasern:
wie PET oder Polyamid (Nylon)
Leimung und Imprägnierung:
mit tierischen Leimen, Harzen, Paraffinen und Wachsen
Füllstoffe:
dazu gehören Kaolin, Talkum, Gips, Bariumsulfat, Kreide, Titanweiß
Hilfsstoffe:
sind Farbstoffe, Entschäumer, Dispergiermittel, Retentionsmittel, Flock- ungsmittel, Netzmittel
Die einzelnen Bestandteile werden zermahlen und in Wasser aufgeschwämmt der Papiermaschine zugeführt. Dabei werden pro Kilogramm Papier ungefähr 72 Liter Wasser verbraucht, die dem Prozess gereinigt wieder zugeführt werden.
Mit jedem Mahlgang werden die Fasern zugefügter Altpapiere weiter zerkleinert, sodass sich Papiere geringer Qualität mit einem hohen Anteil häufig recyceltem Altpapiers unter dem Mikroskop an einem hohen Anteil kurzer, zerschlissener Fasern erkennen lässt.
Papier wird zu ca. 95 % aus Holz (in Form von Holzstoff, Zellstoff = Primärfasern oder Altpapier = Sekundärfasern) hergestellt. Dabei gehen rund 20 % der weltweiten Holzernte in die Papierproduktion. zum Einsatz kommen verschiedene Nadel- und Laubhölzer (z.B. Fichte, Tanne und Kiefer oder Buche, Pappel und Eukalyptus), sowie Gräser wie Stroh, Bargasse, Bambus und Zuckerrohr, aber auch Apfelschalen.
Chemisch betrachtet besteht Holz aus:
40 % bis 50 % Cellulose
10 % bis 15 % Hemicellulose
20 % bis 30 % Lignin
6 % bis 12 % sonstigen organischen Stoffen
0,3 % bis 0,8 % anorganischen Stoffen
Bei den hochwertigen Holzfreien Papieren ist der Anteil ligninhaltiger Fasern minimal.
Papierinhaltsstoffe erkennen
Wie können wir nun Papierinhaltsstoffe erkennen?
Aussehen:
- Länge und Durchmesser der Fasern (siehe Tabelle unten)
- Zustand der Fasern (intakte Zellen oder zerschlissen)
Pflanzenanatomische Merkmale :
- Hoftüpfel der Tracheiden (Nadelhölzer) bzw. der
passenden Zellen aus dem Xylemparenchym
- Tüpfelfelder der Tracheen (Laubhölzer) bzw. der
passenden Zellen aus dem Xylemparenchym
Die Literatur zur Papieranalyse bietet Bildtafeln, die typische Zellarten und Zellformen für bestimmte Pflanzenarten anhand von Illustrationen oder Mikrofotografien darstellen, sodass eine genaue Bestimmung der verwendeten Pflanzenfasern möglich wird. Dazu bedarf es jedoch auch einer guten Portion Erfahrung. Länge und Durchmesser der gefundenen Fasern aus dem Punkt Aussehen fließen in die Bestimmung mit ein.

Bild 4: Tracheide (rot - verholzt) und Xylemparenchym (blau - ligninfrei) mit Hoftüpfeln, Färbung Etzold FCA

Bild 5: Trachee eines Laubholzes mit Tüpfelfeldern in W3Asim II Ffärbung. Wir sehen nur den Zellulose-Anteil der Zelle, das Lignin wurde bei der chemischen Aufbereitung entfernt. Die Zelle ist an den Enden aufgefasert - zerschlissen - und stammt vermutlich aus einem ehemals hochwertigen Recyclingpapier.
Physikalische Eigenschaften:
- Doppelbrechnung im polarisierten Licht
- Färbung (z.B. bei kleinen Farbstoffpartikeln in Recyclingpapieren)
Chemische Eigenschaften (klassische Reagenzien der Papieranalyse):
- Phloroglucin-Salzsäure
Holzstoff scharf rot
- Lugolsche Lösung (Jod-Jodkaliumlösung)
Holzstoff gelb
Zellstoff ungefäbt
- Chlorzinkjodlösung
Holzstoff gelb
Zellstoff blau
Lumpen rot
Beispiele zur Fasergröße
Messkriterium
|
Fichte |
Kiefer |
Skan. Birke |
Eukalyptus
|
Faserlänge (mm)
|
3,5 |
3,0 |
1,1 |
1,0
|
Coarsdness (µg/m)
|
140 - 190 |
200 - 300 |
114 |
77
|
Faserdurchmesser (µm) |
36 |
30 |
22 |
19 |
Wanddicke (µm) |
6 |
8 |
3 |
5 |
Einzelne Komponenten im Holzstoff
Messkriterium
|
Faserstoff
lang |
Faserstoff
kurz |
Feinstoffe
Schleimstoffe |
Feinstoffe
Mehlstoffe
|
Länge (µm)
|
800 - 4500 |
200 - 800 |
bis 200 |
20 - 30
|
Dicke (µm)
|
25 - 80 |
25 - 30 |
bis 1 |
1 - 30
|
Lugosche Lösung färbt Holzstoff (Lignin) gelb, Zellstoff bleibt farblos

Bild 6: Die blassgelbe Färbung mit Lugolscher Lösung verrät das Lignin
Präparation und Färbung
Wenn für die Präparation normales Zeitungspapier für die Gewinnung von Papierfasern genommen wird, erhält man mit entsprechenden Färbungen recht schöne Dauerpräparate.
Am besten nehmen wir von einer Tageszeitung den unbedruckten Rand und weichen ihn mit Wasser etwas auf. Dann wird eine kleine Menge (ca. 1 cm²) des zu untersuchenden Papiers wird herausgerissen(!), mit den Fingern zu einer Kugel geknetet, in einem Reagenzglas mit demineralisiertem Wasser aufgeschüttelt und kurz über einer Brennspiritusflamme aufgekocht. Dann wird das Reagenzglas mit einem Stopfen verschlossen und so lange geschüttelt, bis das Fasermaterial vollständig vereinzelt ist.
Bei Tageszeitungspapier erhält man so ganz gut eine Suspension mit einzelnen Papierfasern. Wenn sich bei anderen Papieren die Fasern nicht so gut vereinzeln, erwärmt man die Probe unter Zugabe von ein paar Tropfen Natronlauge (bzw. in 1%iger Natronlauge). Nach erneutem aufschütteln haben sich die Fasern in aller Regel gut getrennt.
Bitte hier wegen Siedeverzugs sehr sorgfältig vorgehen und langsam erwärmen, am besten nimmt man statt eines Reagenzglases ein kleines, hochwandiges Becherglas. Die Öffnung immer vom Körper weg halten.
Die Fasern werden nun über einem feinen Sieb (ca. 5.000 Maschen pro cm³) mit Aqua dest. ausgewaschen. Es geht aber auch ohne Sieb, indem man die Fasern im Glas absetzen lässt, den Flüssigkeitsüberstand abgießt oder abpipettiert und reichlich Fasern mit einer breitschaufligen Pinzette entnimmt. Durch leichtes Pressen wird dann vorhandenes Restwasser entfernt. Diese Prozedur kann auch auf einem Objektträger vorgenommen werden. In einigen Tropfen Wasser wird ausgewaschen. Hierbei die Fasern mit Präpariernadeln in Wasser vereinzeln und dann wiederum mit der Pinzette verdichten und Restwasser auspressen und abziehen. Das ganze mindestens 3x wiederholen. Faserverlust soll uns nicht weiter stören, es wird genügend übrig bleiben.
Eigentlich kann man jetzt schon die Fasern mikroskopieren. Hellfeld reicht, aber Phasenkontrast, Polarisationskontrast und Fluoreszenz ist auch recht interessant. Dazu einfach ein wenig Wasser auftropfen und ein Deckglas auflegen. Überflüssiges Wasser kann mit einem Filterpapier aufgenommen werden, um eine optimale Schichtdicke zu erreichen.
Weiterhin können die Papierfasern mit den in der Papiermikroskopie üblichen Standardreagenzien in Hauptgruppen wie Holzstoff, Zellstoff oder auch Hadern differenziert werden. Die Standardreagenzien sind Pholorglucin-Salzsäure (Holzstoff scharf rot), Lugolsche Lösung (Holzstoff gelb, Zellstoff ungefärbt) und Chlorzinkjodlösung (Holzstoff gelb, Zellstoff blau, Hadern rot). Die Reaktion der Standardreagenzien ist nicht haltbar, also für Dauerpräparate ungeeignet. Die Ergebnisse können aber natürlich fotografisch dokumentiert werden.
Für die farbliche Darstellung und Herstellung von Dauerpräparten sind prinzipiell alle aus der botanischen Mikrotechnik bekannten Färbungen geeignet, besonders die lignifizierte und nicht-liginifizierte Zellwände zeigende Färbungen, wie zum Beispiel Etzold, Dujardin und Wacker. Wir haben ja mit den Holzstofffasern lignifizierte Pflanzenfasern, die beim Zellstoff von Lignin befreit sind.
Sehr einfach ist die Anwendung der Etzold-Färbung in der als Simultanfärbung die Farben Fuchsin, Chrysoidin und Astrablau enthalten sind: nach dem Auswaschen werden die Papierfasern in 2 bis 3 Tropfen Etzold FCA für ungefähr 5 Minuten im Sieb gefärbt, länger schadet nicht. Die Farbe wird mit Wasser ausgewaschen, dabei mehrmals wechseln bis keine Farbe mehr abgeht. Auch dieses kann im Behelf auf dem Objektträger geschehen.
Ein wenig gefärbte Fasern werden auf einem frischen Objektträger in einem Tropfen Wasser mit Präpariernadeln fein verteilt und dann einfach getrocknet. Schneller geht die Trocknung auf einer Wärmeplatte bei 50° Celsius.
Wenn die Fasern auf dem Objektträger eingetrocknet sind, kommt darauf ein Tropfen Harz (Euparal, Malinol, Kanadabalsam) und darüber das Deckglas. Übrigens nehme ich hierfür gerne Malinol oder Kandabalsam, da diese Harze eine eventuelle metachromatische Farbwirkung eines Farbstoffs halten, die ansonsten durch Einwirkung von Alkohol verloren geht. Euparal enthält Alkohol.
Bilder 7 bis 20: einige Aufnahmen aus mit Etzold FCA und W3Asim II gefärbten Dauerpräparaten bzw. im Polarisationskontrast
Anleitungen zum Herunterladen
Anbei die Präparationsanleitung in zwei Teilen als PDF zum Herunterladen:
Papierpräparation Teil 1
Papierpräparation Teil 2
Literatur und Quellen
- Handbuch der Mikroskopie in der Technik
hrsg. von Dr. Hugo Freund, Wetzlar
unter Mitwirkung zahlreicher Fachwissenschaftler
8 Bände.
Band V: Mikroskopie des Holzes und des Papiers
Teil 1 - Mikroskopie des Rohholzes und der Rinden.
306 Seiten.
und
Teil 2 - Mikroskopie in der Technik der Holzverarbeitung und Holzzersetzung.
380 Seiten
Beide Umschau Verlag Frankfurt am Main, 1970
- Franke, Werner: Prüfung von Papier, Pappe, Zellstoff und Holzstoff.
Band 2 - Mikroskopische und photometrische Verfahren.
Springer-Verlag Berlin, 1993.
- Herzberg, W.: Papierprüfung.
Siebente Auflage bearbeitet von R. Korn und B. Schulze
Verlag von Julius Springer, Berlin 1932.
- Kammermann, Walter: Mikroskopie in der Papierindustrie
BoD – Books on Demand, 2012.
- Krauter, D.: Mikroskopie im Alltag
3. Aufl.
Franckh'sche Verlagshandlung, Stuttgart 1961
- Kremer, Bruno P.: Das große Kosmos-Buch der Mikroskopie
Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart 2002
- E. Gruber: Papier- und Polymerchemie
Vorlesungsskriptum zum Lehrgang „Papiertechnik“ an der Berufsakademie Karlsruhe.
Baustein 8: Einfluss von Art und Eigenschaften der Faserstoffe
Bildquellen
- Bild 2: Papierherstellung Anfang des 18. Jahrhunderts
Aus Wikipedia, unbekannter Autor, gemeinfrei
- Bild 3: Langsiebpapiermaschine - prinzipieller Aufbau
Aus Wikipedia, Aurtor "zuckerschnute", CC BY-SA 3.0
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