Beginn des sekundären Dickenwachstums bei Rhododendron spec.
Jörg Weiß, vom 15.11.2013
Viele Arten aus der großen Gattung Rhododendron ver- fügen über ein sehr aufwen- diges primäres Abschlussge- webe. Unter der durch eine starke Cuticula geschützten Epidermis liegt ein Rinden- parenchym mit einer in der Aufsicht netzartigen Struk- tur, das gut ein Fünftel des Sprossquerschnitts einneh- men kann. Die von einzelnen kleinen Zellen gebildeten Kammern schließen luftgefüllte Lakunen ein und bilden so räumlich ein Gewebe, das mit einem Seifenschaum verglichen werden kann, dessen Wände eben von den Zellen gebildet werden.
Was passiert nun, wenn im Rahmen des sekundären Dickenwachstums das primäre Abschlussgewebe durch das Periderm ersetzt wird? Dieser Frage möchte ich im folgenden kleinen Artikel nachgehen.
Artikelinhalt
Kurz zur Gattung Rhododendron
Die Rhododendren (Singular: das Rhododendron, umgangssprachlich auch der Rhododendron) sind eine Pflanzengattung aus der Familie der Heide- krautgewächse (Ericaceae). Der Name Rhododendron entstammt dem Griechischen und in der Gattung finden sich über 1000 Arten. Da es sich um eine beliebte Zierpflanze handelt, gibt eine Vielzahl von Sortengruppen und eine fast unüberschaubare Zahl von Sorten, bei denen es sich teils um Hybriden, teilweise aber um nur vegetativ vermehrbare Ausleseformen (so genannte Sports) handelt.
Makro eines Rhododendron-Blütenstandes mit violetten Blüten
Das Verbreitungsgebiet reicht von der Meeresküste bis ins Hochgebirge (in Tibet bis über 5500 m) sowie vom tropischen Regenwald bis in die subpolare Tundra (zum Beispiel Rhododendron lapponicum und Rhododendron camtschaticum). Dementsprechend unterschiedlich sind die Arten und ihre Ansprüche: überwiegend sind es immergrüne Sträucher, es gibt aber auch laubwerfende Arten und wieder andere, die zu den Bäumen gerechnet werden. Auch epiphytisch auf Bäumen lebende Formen kommen vor.
Die Sprosse sind in der Regel im ersten Jahr grün, färben sich dann bräunlich und bilden schließlich eine gräuliche Rinde aus. Die wechselständigen Laubblätter sind einfach und meist ganzrandig. Ihre Größe ist von Art zu Art und auch bei den einzelnen Individuen recht unterschiedlich und reicht von einigen Millimetern bis zu gut einem Meter.
Es werden meist endständige traubige oder doldentraubige Blütenstände gebildet. Die zwittrigen, meist fünfzähligen, überwiegend radiärsymmetrischen bis schwach zygomorphen Blüten sind glocken-, röhren-, schalen- oder trompetenförmig. Die fünf Kelchblätter sind verwachsen. Staubblätter sind fünf bis zehn (maximal 27) vorhanden. Es werden Kapselfrüchte gebildet mit zahlreichen Samen, die meist geflügelt sind. Die Blütezeit der Rhododendren reicht von Januar bis August, die meisten blühen im April/Mai.
Viele Rhododendren sind giftig; ihre Giftwirkung beruht hauptsächlich auf verschiedenen Grayanotoxine (u.a. Grayanotoxin I, Andromedotoxin) aus der Klasse der Diterpene. Diese finden sich nicht nur in Blättern, sondern auch im Nektar und im Pollen. Es wird sogar von Vergiftungen beim Menschen durch den übermäßigen Genuss des Honigs aus dem Nektar von Rhododendron ponticum berichtet. Dabei kann, bei schweren Vergiftungen, verlangsamte Herztätigkeit, schwacher Puls bis hin zum Koma und Tod durch Atemstillstand eintreten. Auch bei Weidetieren sind Vergiftungen durch den Verzehr der Blätter bekannt.
vielleicht noch interessant: im Südwesten von Irland finden sich ganze Wälder aus verwilderten Rhododendren (Rhododendron ponticum), die als invasive Neophyten eine Gefahr für die Artenvielfalt darstellen.
Die Gattung Rhododendron stellt sich vor
Präparation
Nach der Probenahme mit freundlicher Genehmigung der Nachbarn habe ich je ein frisches Stück vom ein- und zweijährigen Spross auf dem Handzylindermikrotom mit DurAedge Einmalklingen im SHK-Klingenhalter quer geschnitten. Die Schnittdicke beträgt ca. 40 µm. Wer möchte, findet
hier weitere Informationen zum Schnitt mit dem Handzylindermikrotom.
Einige Aufnahmen vom Frischmaterial vor der Fixierung und Färbung ergänzen später die Bilder von den Präparaten.
Schnitte in der Fixierlösung AFE - unten rechts der zweijährige Spross, alle anderen vom einjährigen Spross
Gefärbt habe ich hier Schnitte von beiden Proben - nach ca. 20-minütiger Schnittfixierung in AFE - mit dem W3Asim II Farbstoff von Rolf-Dieter Müller. Entsprechende Arbeitsblätter können im
Downloadbereich unserer Webseite herunter geladen werden. Nach der Färbung wurde vor dem Entwässern durch häufiges Spülen mit jeweils frischem Aqua dest. sanft differenziert.
Eine ausführliche Beschreibung der W3Asim-Färbungen finden Sie auch auf unserer Webseite:
zum Artikel von Rolf-Dieter Müller.
Verwendete Technik
Alle Aufnahmen entstanden auf dem Leica DM E mit den Objektiven NPlan 5 und 40x sowie den 10x und 20x PlanApos. Die Kamera ist eine Canon Powershot A520 mit Herrmannscher Okularadaption. Zur Zeit nutze ich am Adapter ein Zeiss KPL 10x, das mit den Leica-Objektiven sehr gut harmoniert. Die Steuerung der Kamera erfolgt am PC mit dem Programm PSRemote und der Vorschub wird manuell anhand der Skala am Feintrieb des DM E eingestellt.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.
Kamera und Kameradaption zum Einstecken in den Okularstutzen - für eine größere Ansicht bitte anklicken
Einjähriger und zweijähriger Spross im Vergleich
In der zweiten Wachstumsperiode, manchmal sogar noch im ersten Jahr, beginnt bei den höheren Pflanzen das sekundäre Dickenwachstum. Im Xylem finden sich ab dann entsprechende Jahresringe und viel auffälliger: das primäre Abschlussgewebe bestehend aus der Cuticula, der Epidermis und dem Rindenparenchym wird langsam durch das Periderm, dem sekundären Abschlussgewebe ersetzt. Wie zu erwarten, unterscheiden sich daher auch bei vielen Arten der Gattung Rhododendron die zweijährigen Sprossstücke massiv von den frischen Sprossstücken aus der aktuellen Wachstumsperiode.
Ein solcher Vergleich findet natürlich am besten im Herbst statt, wenn die Pflanze noch nicht in der Winterruhe (bei immergrünen Pflanzen wie hier bei unserem Beispiel nicht so relevant), aber die Wachstumsperiode bereits abgeschlossen ist.
Werfen wir also mit Hilfe zweier Makroaufnahmen zunächst einen Blick auf die Sprosse, wie sie auch das unbewaffnete Auge sehen kann:
Einjähriger (oben) und zweijähriger Spross von der Probepflanze
Von Grün nach Braun: die Veränderung könnte nicht deutlicher sein. Wir sind diesen Farbwechsel aus unserer Umgebung gewohnt, er ist beim Pflanzenwachstum normal. Aber was verbirgt sich dahinter? Der Blick auf die im Zylindermikrotom eingespannten Anschnitte der beiden Proben gibt uns einen Hinweis:
Wieder ist der einjährige Spross oben zu sehen. Die Veränderung des Rindenparenchyms fällt gleich ins Auge.
Die beiden Vergleiche oben zeigen: die äußeren Gewebeschichten des zweijährigen Sprosses sind abgestorben. Wie kommt das? Um das heraus zu finden, brauchen wir das Mikroskop. In der folgenden Galerie finden sie zunächst, immer schön Abwechselnd vom Einjährigen und vom zweijährigen Spross, einige Übersichtsaufnahmen. Die Beschriftung kann in der
hier hinterlegten Tabelle nachgelesen werden. Und dann tasten wir uns langsam an die Ursache heran, die für viele Leser nun sicher keine Überraschung mehr bringt.
Die Sprossquerschnitte als gefärbte Präparate unter dem Mikroskop
In den beiden letzten Bilderpaaren sehen wir beide Male den Übergang vom Xylem über das Cambium und das Phloem zu den äußeren Gewebeschichten. In der Mitte ein mehrzelliger Markstrahl, der eine große Rolle in der Versorgung auch der äußeren Gewebeschichten mit Wasser und Nährstoffen spielt. Aber es gibt einen gravierenden Unterschied: beim zweijährigen Spross hat das sekundäre Dickenwachstum eingesetzt und die Bildung des Periderms hat begonnen. Dieses löst die primäre Begrenzung des Sprosses aus Rindenparenchym, Epidermis und Cuticula ab. Ablöst im wahrsten Sinne des Wortes: das Phellem (Kork) ist abgestorbenes Material und es ist wasserundurchlässig. Alles, was außerhalb des neu entstehenden Periderms liegt, wird von der Versorgung abgeschnitten und stirbt ab.
Hier geht die Bildung des Periderms von der letzten Zelllage des Phloems aus. Diese wird wieder meristematisch (Phellogen) und beginnt sich zu teilen, um die Zelltypen des Periderms zu erstellen. Die Bildung des Periderms kann z.B. auch direkt unter der Epidermis erfolgen, dann natürlich mit lange nicht so spektakulären Folgen wie hier beim Rhododendron.
Und wie geht es weiter? Beim dreijährigen Spross sind noch Fetzen des ehemaligen Rindenparenchyms vorhanden und bei noch älteren Sprossen hat sich die "Altersrinde" durchgesetzt, die hier aus feinen Streifen des vom Phellogen gebildeten Korks (Phellem) besteht:
Dreijähriger (oben) und fünfjähriger Spross der Probepflanze.
Rhododendron hat auch sonst einiges zu bieten
Primäres Xylem im Querschnitt des einjährigen Sprosses (W3Asim II, Vergrößerung 200x)
Besonders schön ist immer der Blick auf das primäre Xylem am Übergang zum Markparenchym und auch das Markparenchym selbst, das bei der Probepflanze wie bei vielen Rhododendronarten von Zellgruppen mit sehr dünnen Zellwänden durchsetzt ist. Auch ein Stoma konnte ich in günstiger Lage fotografieren. Dazu die Bilder in der folgenden Galerie.
Primäres Xylem, Markparenchym und ein Stoma
Literatur
[1] Anatomy of Seed Plants, 2nd Edition
Katherine Esau, Wiley-India Reprint 2011.
[2] Pflanzenanatomisches Praktikum I
Braune, Leman, Taubert, Spektrum 2007.
[3] Botanische Schnitte mit dem Zylindermikrotom
Jörg Weiß, MBK 2011
[4] Wacker für Alle
W3Asim Färbungen von Rolf-Dieter Müller, MKB 2011
[5] Tabelle der Abkürzungen zur Pflanzenanatomie
Jörg Weiß, MKB 2013
Bildquellen
- Illustration zum rotblütigen Rhododendron
aus Flore des serres et des jardins de l'Europe
von Louis van Houtte, 1861.
Quelle: Wikipedia, Botanicus (GFDL)
- Illustration zum Rhododendron metternichii
aus Flora Japonica, Sectio Prima (Tafelband)
von Philipp Franz von Siebold und Joseph Gerhard Zuccarini, 1870.
Quelle: Wikipedia; www.biolib.de von Kurt Stüber unter GFDL.
- Alle anderen Aufnahmen vom Autor des Artikels
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