Was treibt nun Pflanzen, die in der Regel alles was Sie zum Aufbau Ihres Körpers und zur Entfaltung ihrer Lebensfunktionen brauchen aus dem Boden bzw. über die Photosynthese gewinnen können, dazu, aktiv Jagt auf Tiere zu machen? Der Schlüssel zu diesem Rätsel liegt in den Standorten, an denen sich weltweit Pflanzen finden, die auf ein tierisches Zubrot angewiesen sind. Ob es sich dabei um Wasserpflanzen wie den Wasserschlauch oder Sumpfpflanzen wie die Venusfliegenfalle oder eben epiphytisch lebende tropische Kannenpflanzen handelt: in ihren Lebensräumen herrscht üblicherweise ein Mangel an verfügbarem Stickstoff, Phosphor und zum Teil auch Schwefel - sei es durch saures Wasser oder saure Böden oder durch fehlenden Humus aufgrund des schnellen Stoffumsatzes in tropischen Wäldern.
An solchen Standorten haben Individuen einen Vorteil, die sich andere Stickstoff- und Phosphorquellen erschließen können: die Stunde der carnivoren Pflanzen schlägt. Denn die Fähigkeit, geeignete Tiere fest zu setzen, deren Körpersubstanz aufzuschließen und aufzunehmen (zu verdauen) verschafft den Pflanzen Zugang zu den ansonsten nur unzureichend vorhandenen Stoffen und ermöglicht ihnen, an Orten zu gedeihen, die anderen Pflanzenarten nicht oder nur eingeschränkt zugänglich sind.