Ein Fokusantrieb für manuelle Mikroskope
Unsere Gastreferenten Jaber Mianroodi und Nima Siboni tragen vor
Bonn, vom 20.04.2017
Unsere Referenten waren diesmal Dr.-Ing. Jaber Mianroodi, wissenschaft- licher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Werkstoffme- chanik der RWTH Aachen, und Dr. Nima Siboni, wissenschaftlicher Mitarbei- ter am Institut für Theo- retische Physik II der Universität Düsseldorf. Ein Novum für die MKB: der Vortrag wurde in englischer Sprache gehalten und bei Bedarf im laufenden Gespräch übersetzt.
Die beiden Kollegen haben zunächst festgestellt, daß sowohl Hardware aller Art als auch Software immer billiger und leichter erhältlich werden.
Insbesondere gibt es nun die Möglichkeit, über 3D-Druck auch komplexe Teile zu einem äußerst günstigen Preis herzustellen, so daß mechanische Bearbeitungsschritte weitgehend entfallen. Dadurch können beispielsweise Befestigungs- oder Bedienteile am Rechner konstruiert und gleich gebrauchsfertig „ausgedruckt“ werden, vorteilhaft für individuell angepaßte Einzelstücke.
Durch die automatisierte Massenproduktion sind Teile wie Schrittmotoren und deren Controller sowohl miniaturisiert als auch drastisch verbilligt worden. Ein Beispiel wurde am Abend gezeigt, der Schrittmotor-Treiber Polulu 4899 mit den Abmessungen 35x16 mm, für 2A/35V max. und bis zu 1/16-Mikroschritten. Die Ansteuerung erfolgt mit nur 2 Leitungen für Drehrichtung und Step (im Bild unten).
Ein Beispiel für den technischen Fortschritt: links ältere Steuerung von 1992. Rechts rot umrandet eine aktuelle Treiber-Platine (Polulu 4899) mit gleicher elektrischer Leistung, aber wesentlich mehr Funktionen. Die Kosten von Treiberplatine und Schrittmotor belaufen sich zusammen auf etwa 25 Euro.
Zur Steuerung gibt es heute Mikrorechner wie z.B. den Arduino oder den Raspberry Pi, welcher praktisch alle Rechenfunktionen eines PCs komplett übernehmen kann. Für die Bildbearbeitung und -auswertung sind sehr mächtige, dabei frei zugängliche und kostenlose Software-Pakete wie Picolay, ImageJ und Ovito erhältlich.
Deshalb war die Idee nahe liegend, speziell einfache oder ältere Mikroskope durch Hard- und Software aufzurüsten, was wegen des geringen Preises der erforderlichen Elemente sehr attraktiv ist. Schließlich sind ältere Mikroskope hinsichtlich Optik und Mechanik nicht wirklich „veraltet“, sondern können durchaus sehr leistungsfähig sein – mithin lohnt sich eine Aufrüstung allemal.
Das Ziel ist, sowohl eine leicht zu adaptierende Hardware als auch eine bedienerfreundliche Software zu entwickeln. Als erstes sollte die Automation der z-Achse mit einem Schrittmotor-antrieb verwirklicht werden, zur Erstellung von Stacks und deren Verrechnung. Nächste Entwicklungen gehen in Richtung x,y-Scanningtisch und automatische Aufnahme von Panorama-Bildern. Dabei wird die Rechenleistung jeweils von den erwähnten Mikrorechnern übernommen, so daß das System Plattform-unabhängig wird. Zusätzlich bietet die moderne Kommunikationstechnik die Möglichkeit einer Fernbedienung etwa über Smartphone per WLAN.
Für Entwicklung und späteren Vertrieb haben Dr. Mianroodi und Dr. Siboni ein Start-up- Unternehmen mit dem Namen „Ergodic Labs“ gegründet.
Vorführung des Fokusantriebs an einem Leitz Ortholux
Die erste Entwicklungsstufe wurde am heutigen Abend vorgestellt. Die Teilnehmer hatten dabei die Gelegenheit, das eigene Mikroskop mit angepaßter Hardware koppeln zu lassen und eigene Experimente durchzuführen. Zur Verbindung Schrittmotor/Fein- bzw. Grobtrieb und zur Montage an das Mikroskop wurden individuelle 3D-gedruckte Teile hergestellt. Prinzipiell hat das auch gut funktioniert, es können verschiedenste Mikroskope adaptiert und Bilderstapel aufgenommen werden. Auch das Konzept der Software fand Anerkennung, speziell die Plattform-Unabhängigkeit und die Steuerungsfunktionen über Minirechner wie den Raspberry Pi haben überzeugt. Jedoch ist die Software noch nicht bedienerfreundlich und enthält längst nicht alle erforderlichen Funktionen.
Die mindestens vorzuhaltenden Softwarefunktionen für die Ansteuerung der z-Achse hat der Berichterstatter in einem ergänzenden Vortragsteil aufgelistet:
Anforderungen an eine z-Achsen-Steuerung
1. Referenzposition festlegen
2. Verschiedene Höhenlagen abspeichern und wieder anfahren
3. Höhen messen (mit den bekannten Einschränkungen)
4. Stacking:
a) Start- und Endposition festlegen
b) Zahl der gewünschten Ebenen und deren Abstand. Hilfreich wäre eine Tabelle mit den für gute Auflösung in z-Richtung erforderlichen Abstände, je nach Objektivapertur
c) Kamera automatisch auslösen
5. Lade- und Arbeitsposition anfahren
6. Parfokalitätsmodus
Für die kameraspezifische Anpassung sind weitere Entwicklungen erforderlich – angesichts der vielen verschiedenen Fabrikate eine schwierige Aufgabe.
Adaption des Motorantriebs an ein Zeiss Axioplan, die Steuereinheit ist nicht im Bild
Eine weitere interessante Entwicklung wurde vorgeführt: ein Mikroskopstativ im Eigenbau nach einer Idee von Prof. Cypionka, bestehend aus Aluminium-Nutenprofilen und vielen Teilen im 3D-Druck. Hier zeigt die Steuerung über WiFi ihre großen Vorteile, denn der Bediener kann entfernt vom Gerät sitzen und so Schwingungseinflüsse vermeiden. Eine gute Idee für den Eigenbau von Mikro- oder Makroeinrichtungen für spezielle Anwendungen.
Als Anregung für die Entwicklung eines motorisierten x,y-Tisches wurde noch kurz die Anlage des Berichterstatters samt Software im Betrieb gezeigt, bestehend aus einem Märzhäuser-Tisch und Eigenbau-Steuerung. Nachteilig ist das hohe Gewicht des Tisches – mit 3,3 kg zu schwer für kleine Mikroskope – und der hohe Preis selbst von gebrauchten Tischen (um 1000 EUR). Hier ist also noch viel Bedarf für neue Ideen.
Der komplette Aufbau mit Kamera am Zeiss Axioplan
Impressionen vom Vortragsabend
Dank
Wir danken Herrn Dr. Jaber Mianroodi und Herrn Dr. Nima Siboni für den Besuch in Bonn und den interessanten Vortrag und Workshop. Und auch Herrn Dr. Horst Wörmann für die Übersetzung des Vortrags und bei Bedarf auch der Fragen und Antworten aus dem Englischen ins Deutsche und umgekehrt.
Der Foliensatz des Vortrags zum Herunterladen:
Upgrading & automating microscopes (13 MB)