Wundheilung bei höheren Pflanzen
Bonn, vom 19.01.2017
Das erste Treffen des Mikroskopischen Kollegiums Bonn im neuen Jahr hat wieder Herr Dr. Weidner gestaltet, uns aus seinem faszinierenden Vortrag zu den fleischfressenden Pflanzen vom November 2014 noch in bester Erinnerung.Das Thema diesmal war die Regeneration und Wundheilung bei Pflanzen, mit praktischem Teil im Anschluss an den Vortrag.
Verletzungen und Zerstörungen muss die Pflanze möglichst schnell beheben, um die volle Funktionsfähigkeit wieder zu erlangen bzw. das Eindringen von zerstörenden Pilzen zu verhindern. Dazu gibt es eine Reihe raffinierter, komplexer Mechanismen, die darauf beruhen, dass in jeder Zelle die genetische Totipotenz erhalten ist (also die volle genetische Information der Pflanze), gleichgültig welche Funktion sie hat – vorausgesetzt sie hat noch einen Zellkern. Bei einer Verletzung werden nun gezielt Mastergene aktiviert, die ihrerseits umfangreiche Genkaskaden anschalten. Im Zusammenwirken mit anderen, exogenen wie endogenen Faktoren wie Temperatur, Licht, Phytohormone usw. wird dann beispielsweise aus einer Parenchymzelle eine Netztracheide. Dies erfolgt nicht ungeordnet, sondern nach dem artspezifischen, genetisch festgelegten Bauplan der Pflanze, so dass etwa ein funktionierendes Leitbündel oder gleich eine ganze Pflanze gebildet wird.
Bildung einer neuen Pflanze aus dem Blattanschnitt einer Begonie
Der letztere Fall wurde am Beispiel der Begonie dargestellt, bei der aus einer einzigen, sich reembryonalisiernden Epidermiszelle eine neue Pflanze entsteht. Schneidet man bei einem Begonienblatt die Hauptnerven durch und legt das Blatt flach auf feuchtes Substrat, so bilden sich nach 3-4 Wochen Wurzeln an der Unterseite und nach weiteren 4 Wochen Blattanlagen auf der Oberseite, so dass schließlich eine neue Pflanze heranwächst. Ein weiteres Beispiel für die Regenaration aus einer einzigen Zelle ist die Bildung von Adventivknospen (lat. adventus ‚hinzugekommen'; Knospen, die z.B. nach Verletzungen nicht an der Sprossspitze oder in den Blattachseln sondern an beliebigen Stellen an der Pflanze entstehen) an Linum usitatissimum (Lein) nach Abtrennen der Keimblätter.
Adventivknospen beim Lein
Sehr komplexe Regenerationsvorgänge findet man auch an der Ziernessel (Coleus blumii): schneidet man einen Hauptsproß keilförmig ein, so beobachtet man zunächst die Bildung eines Wundperiderms, bestehend aus einer braunen Korkschicht. Die durch den Schnitt unterbrochenen Leitbündelstränge werden durch Umdifferenzierung von Markparenchymzellen zu Tracheiden repariert, wobei die Zellen ihre Form und Größe beibehalten, aber die Zellwände Verdickungsleisten ausbilden. Verblüffend war die Beobachtung, dass aus zunächst verstreut liegende Tracheiden letzlich ein funktionierendes Leitbündel entsteht.
Regeneration bei der Ziernessel
Die Wirkung von Phytohormonen – in diesem Fall beta-Indolylessigsäure (IES) – wurde ebenfalls an der Ziernessel gezeigt: Aufstreichen einer IES-haltigen Paste auf den Spross bewirkt die Bildung von Wurzeln am Spross.
Hormoninduzierte Adventivwurzelbildung bei der Ziernessel
Bei der Kartoffel bildet sich bei einer Verletzung der Schale ein Korkkambium im Rindenparenchym und daraus eine mikroskopisch durch Braunfärbung gut erkennbare Korkschicht, die die Verletzung sicher abschließt.
Korkabschlussgewebe bei der Kartoffel
Insgesamt regte der Vortrag dazu an, sich intensiver mit diesen Vorgängen zu befassen, zumal sie der mikroskopischen Beobachtung leicht durch Handschnitte zugänglich sind. Dazu sind die im Skript enthaltenen detaillierten Versuchsbeschreibungen sehr hilfreich. Wieder ein gelungener und lehrreicher Abend, für den wir Herrn Dr. Weidner sehr herzlich danken möchten!
Das Skript wird nachgeliefert.