Kornrade 15
Im Seminarsaal des Biozentrums der Universität Würzburg
Würzburg, den 09. bis 11. März 2018
Nun also in Würzburg! Anfang März dieses Jahres trafen sich gut 60 Mikroskopikerinnen und Mi- kroskopiker aus Deutsch- land, Österreich und der Schweiz am Biozentrum der Universität Würzburg zur 15. Kornrade. Organisiert wurde das bekannte Treffen zum ersten Mal von Ole Riemann und Rainer Meisch und ihren Kolleginnen und Kollegen von den Würzburger Mikroskopikern. Nach 14 Kornradetreffen an der TU Darmstadt kann man sagen, dass der Staffelstab erfolgreich übergeben wurde: wir durften eine in allen Belangen perfekt organisierte Veranstaltung besuchen, angefangen von den Räumlichkeiten, über die Vorträge und die Pausenverpflegung bis zu den Unterkünften und dem Rahmenprogramm im nicht weit entfernten Weinort Randersacker.
Der Fadenwurm Caenorhabditis elegans in Bewegung, Bob Goldstein CC BY-SA 3.0
Dabei wurden die bewährten Strukturen beibehalten und so eröffnete die 15. Kornrade am Freitag Nachmittag nach der Begrüßung durch Ole Riemann und einem Vertreter des gastgebenden Biozentrums der Universität Würzburg mit einem Vortrag von Prof. Dr. Christian Stigloher über eines der aktuellen Projekte der Arbeitsgruppe Elektronenmikroskopie. Die Forschung am Aufbau und der Verknüpfung der 300 Nervenzellen des Modellorganismus Caenorhabditis elegans, einem Fadenwurm, wurde mit faszinierenden Bildern und auch für den Laien leicht verständlich dargestellt. So müssen Vorträge sein!
Besonders spannend hier: bei ungünstigen Umgebungsbedingungen wie z.B. zu hoher Populationsdichte, Futtermangel oder Trockenheit bildet C. elegans über zwei Stufen eine Dauerlarve aus, die keine Nahrung zu sich nimmt und ca. 3 Monate überleben kann. Das Verhalten dieser Dauerlarve unterscheidet sich grundlegend von dem der adulten Fadenwürmer: sie versucht aktiv, die für sie ungünstige Umgebung zu verlassen, in dem Sie sich z.B. an vorbeikommende größere Tiere heftet.
Im Rahmen eines der vorgestellten Projekte wird nun untersucht, ob sich diese Verhaltensänderung auch in der "Hardware", also den synaptischen Verbindungen der Nervenzellen im Vergleich zum adulten Wurm nachweisen lässt. Dazu werden lichtmikroskopische Aufnahmen mit Fluoreszenzmarkern mit den hochauflösenden Aufnahmen aus der Elektronenmikroskopie der selben Probe kombiniert. Die Herausforderung dabei ist die Aufbereitung der Proben für die Fluoreszenzmikroskopie und die anschließende Elektronenmikroskopie. Um die wasserreichen Gewebe des Fadenwurms zu erhalten wird dabei mit einer Einbettung aus vitrifiziertem Wasser gearbeitet: durch Schockgefrieren bei hohem Druck bilden sich keine Wassereiskristalle, die das Gewebe zerstören würden, sondern das Wasser bekommt eine amorphe Struktur ähnlich der des Glases.
Den Abschluss des Abends bildete der Vortrag „Nanoflights - eine neue umfassende Wahrnehmung mikroskopischer Strukturen" von Stefan Diller. Er erstellt Filme - die so genannten
Nanoflights - aus einer Abfolge elektronenmikroskopischer Einzelbilder, die einen faszinierenden neuen Blick auf kleine und sehr kleine Objekte ermöglichen.
Anschließend ging es zurück zum Hotel, von wo aus wir nach einem kurzen Fußweg eine interessante Weinprobe im barocken Bergmeisterhaus des Weinguts König besuchen konnten. So fand der erste Tag bei vielen guten Weinen und leckerem Essen einen würdigen Ausklang.
Frischer Schnitt durch ein Fiederblatt von Rumpf's Palmfarn (Cycas rumphii) mit längs angeschnittenen Transfusionstracheiden
Der Samstagvormittag stand ganz im Zeichen verschiedenen Vorträgen zu den unterschiedlichsten mikroskopischen Themen und startete nach dem Frühstück zeitig mit einem Bericht von Jörg Weiß (MKB) zur Ordnung der Palmfarne (Cycadales). Dabei stellte der Referent die allgemeinen Eigenschaf- ten dieser interessanten urweltlichen Pflanzen vor um im Nachgang sechs Arten detailliert im makroskopischen und mikropskopischen Bild zu besprechen.
Dabei bildete die Weiterentwicklung der Leitgewebe in den Fiederblättchen der gezeigten Pflanzen den roten Faden durch den Vortrag: von den accessorischen Transfusionsgeweben der entwicklungsgeschichtlich ältesten Gattung Cycas mit den auffälligen Transfusionstracheiden hin zu den modernen Leitbündeln der jüngsten Gattung Zamia.
Der Vortrag kann
hier als odp-Datei (Star Office Format) herunter geladen werden. Die Größe beträgt etwa 72 MB.
Ein Blick auf die Hellenmaar aus dem Jahr 2015
Der nächste Vortrag von Thilo Bauer (MKB) gab einen Einblick in sein laufendes Projekt zur Ökologie der Ciliaten der Hellenmaar bei Bornheim. Seit 2016 beobachtet der Referent das kleine unter Naturschutz gestellte Feuchtgebiet mit offizieller Genehmigung der zuständi- gen Naturschutzbehörden und zeichnet das Vorkommen verschiedener Ciliatenarten im Jahres- und Lichtwechsel auf.
Dabei zeigt sich auch die Abhängigkeit solcher Projekte von der Witterung: war die Hellenmaar bei der Voruntersuchung im Jahr 2015 noch ein Kleingewässer, wies im Jahr 2016 nur noch der sehr feuchte Boden auf die ehemals offene Wasserfläche hin. Erst im Laufe des Jahres 2017 änderte sich die Situation langsam wieder. Letztendlich war dies aber eine gute Ausgangssituation für die Dokumentation der an die unterschiedlichen Lebensbedingungen angepassten Ciliaten im Probengebiet. Dabei zeigte sich auch, dass deren Auftreten sehr stark vom Lichteinfall und dem Vorhandensein von gefallenem Laub abhängt. Das Laub bildet die Grundlage für Bakterienrasen, die den Ciliaten als Nahrungsgrundlage dienen.
Dabei ist die Bestimmung der Funde bis auf Artebene hinunter alles andere als Einfach: oft unterscheiden sich die einzelnen Arten nur geringfügig und mit dem Stillhalten fürs Foto haben es die Ciliaten auch nicht so.
Mehr Informationen zu dem Vortrag gibt es
hier auf der Seite des MKB.
Nach einer Kaffeepause folgte der Vortrag von Sebastian Hess und Anna Busch (Halifax / Canada) zum Sonnenschutz von Algen. Unter dem Titel "Ein neu entdeckter Sonnenschutzfarbstoff bei Mikroalgen? Von einer
mikroskopischen Zufallsentdeckung zur Forschung im Labor" berichteten sie von einzelligen Algen, die in ihrer Gallerthülle einen bräunlichen bis grauschwarzen Farbstoff einlagern. Die Farbstoffkonzentration ist dabei auf der dem Licht zugewandten Seite deutlich höher als auf der dem Licht abgewandten Seite.
Auch hier war uns ein Blick in laufende Forschungsarbeiten vergönnt: in einem nächsten Schritt soll nun die Strukturformel des Farbstoffes aufgeklärt werden. Auch ein Absorbtionsspektrogramm soll helfen, die Hypothese vom Sonnenschutz zu stützen.
Christian Gottfried Ehrenberg
Nach dem Mittagessen ging es weiter mit einem Kurzvortrag von Detlef Kramer und Uwe Schmidt aus Darmstadt zum Thema "Kryo-Elektronenmikroskopie an Bio-Molekülen - Chemie-Nobelpreis 2017". Thematisch eine schöne Ergänzung zum Vortrag von Prof. Stigloher, da die Arbeiten von Jaques Dubochet, Richard Henderson und Joachim Frank die Grundlagen für die in Würzburg angewendeten und weiterentwickelten Verfahren bilden.
Anschließend dann ein historisches Thema: Rainer Teubner (Darmstadt) stellte in seinem Vortrag "Ehrenberg - ein Gigant der Mikrobiologie" Leben und Wirken von Christian Gottfried Ehrenberg vor. Dabei ist es im Rückblick immer spannend zu betrachten, welche Entdeckungen noch immer bestand haben und wo auch den großen Köpfen Irrtümer und Fehldeutungen unterlaufen sind. Dabei war die Bewertung der Arbeiten unter den damaligen Kollegen durchaus deftig.
Als Beispiel sei hier Ernst Haeckel über die Arbeiten Ehrenbergs zitiert: „Auf das gründliche Studium aller von Ehrenberg gegebenen Mittheilungen über Radiolarien habe ich mehr als ein Jahr meines Lebens verwendet und ich muß leider bekennen, daß dies die verlorenste Zeit desselben war. Bei dem auffallenden Mangel an logischer Schärfe und Klarheit der Begriffs-Bildung, welcher diesen phantasiereichen und fruchtbaren Schriftsteller auszeichnet, ist es überhaupt eine schwierige Aufgabe, in den vermuthlichen Sinn seiner unklaren und verworrenen Angaben einzudringen, und in vielen Fällen läßt nur die längere Vertrautheit mit seiner eigenthümlichen Ausdrucksweise errathen, was er ungefähr gemeint hat.“
Blick in den Seminarsaal beim freien Mikroskopieren
Der Rest des Nachmittags bot dann Gelegenheit zum freien Mikroskopieren im großen Seminarsaal des Instituts. Hier gab es einen regen Austausch unter den Kolleginnen und Kollegen und so mancher konnte im Gespräch einen wertvollen Tipp ergattern oder Hand an ein Gerät legen, das er schon immer einmal aus der Nähe betrachten wollte.
Mit dabei waren auch wieder Shao Zheng Lin-Jülich und Fabian Bähr von der Bonner Firma Jülich optische und elektronische Geräte, diesmal mit einem sehr gut ausgestatteten und automatisierten Mikroskop der Firma Olympus im Gepäck.
Eine weitere Attraktion waren einige Proben aus Reinkulturen von verschiedenen Arten der Zieralgen (Desmidiales), die Michael Burba aus der Algensammlung der Universität Hamburg zum Mikroskopieren mitgebracht hatte. Schon Tradition bei den Kornrade Treffen: in einer ruhigeren Ecke bot Jörg Weiß wieder seinen "Schnippelkurs" zur Erstellung botanischer Dauerpräparate an. Diesmal mit dem Ziel, den neuen Ansatz von Alciangrün von Klaus Herrmann an Schnitten vom Blatt der Welwitschie (Welwitschia mirabilis) zu testen - ein voller Erfolg. Ebenfalls Tradition: die im Rahmen des kleinen Workshops entstandenen Präparate wurden im Anschluss an die Teilnehmer verteilt.
Die Zieralge Micrasterias radians aus einer der Proben von Michael Burba, Aufnahme von Rolf-Dieter Müller
Querschnitt durch das Blatt der Welwitschie (Welwitschia mirabilis) in einer Färbung mit Acridinrot/Acriflavin und dem neuen Alciangrün von einem der auf der Kornrade 15 erstellten Präparate.
Gemütlicher Abend im Bären
Den Ausklang des zweiten Tages bildete dann das gemeinsame Essen mit anschließendem gemüt- lichen Beisammensein im Restaurant des Hotels Bären in Randersacker. Natürlich auch hier wieder mit zwei traditionsreichen Einlagen: der wie immer faszi- nierenden Zaubershow von Thomas Schäfer und dem gemeinsamen Glas Crémant, mit dem wir diesmal auf die alte und neue Kornrade und die jeweiligen Organisatoren angestoßen haben.
Olaf Medenbach trägt vor
Und eh' man sich's versieht, ist es schon wieder vorbei! Am dritten und leider letzten Tag standen noch drei Vorträge auf dem Programm. Den Anfang machte Olaf Medenbach mit dem Thema "Restaurierung antiker wissenschaftlicher Instrumente – Ziele, Methoden und Grenzen". Wie von Olaf nicht anders zu erwarten: hinter dem trocken klingenden Titel versteckte sich ein sehr interessanter und kurzweiliger Vortrag über die Wehen und Erfolge all jener, die Versuchen, teils bis zur Unkenntlichkeit auf Hochglanz kaputt renovierte, ausgeplünderte oder schlicht in Ehren verstaubte wissenschaftliche Instrumente wieder in einen historisch angemessenen und vor allem funktionsfähigen Zustand zu versetzen.
Der Zweite in der sonntäglichen Runde war Martin Kreuz, der über die "Mikrofotografie schneller Objekte" berichtete und uns so an seiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Mikrofotografie der Kleinstlebewesen teilhaben lies. Die vielen Zwischenfragen zeigten die große Relevanz des Themas für die Zuhörer.
Der letzte Vortrag der diesjährigen Kornrade wurde von Prof. Georg Krohne von unserem Gastgeber, dem Biozentrum der Uni Würzburg zum Thema "Interferenzfarben bei Tieren mit dem Elektronenmikroskop untersucht " gehalten. Der schillernde Falterflügel, die Regenbogenfarben der Perlmuttschicht einer Muschel und die Lichtreflexe einer Qualle haben eines gemeinsam: sie entstehen durch Interferenz an Mikrostrukturen in der Größenordnung der Wellenlänge des Lichts, die unter dem Elektronenmikroskop sichtbar gemacht werden können.
Im Anschluss an den letzten Vortrag bestand noch die Möglichkeit, an einer Führung durch die Räume der Zentrale Abteilung für Mikroskopie - der Imaging Core Facility des Biozentrums teil zu nehmen und sich die in den Vorträgen von Prof. Sigloher und Prof. Krone geschilderten Verfahren zumindest teilweise einmal im Labor anzusehen oder sich mit Herrn Diller auf den Weg in sein EM-Fotolabor zu machen und dort zu sehen, wie die Nanoflights entstehen. Schade, dass man sich entscheiden musste, beide Termine waren sehr interessant.
Schaustück auf dem Flur der Imaging Core Facility: ein Elmiskop I der Firma Siemens von 1954 - Entwickelt unter der Leitung von Ernst Ruska, Nobelpreis 1986
Impressionen von der Kornrade 15
Dank
Wir danken Ole Riemann und Rainer Meisch für das perfekt organisierte Treffen in Würzburg das die würdige Nachfolge der Darmstädter Kornradetreffen angetreten hat. Genauso gilt unser Dank Herrn Prof. Georg Krohne und Herrn Prof. Christian Stigloher vom Biozentrum der Universität Würzburg, wo wir bestens untergebracht waren sowie allen Referenten und Unterstützern, ohne die ein solches Treffen nicht möglich ist.